piwik no script img

Heftiges Gerassel im Märchenland

■ Liebe unter sozialliberalen Vorstadtyuppies: „Ein schräger Vogel“ von S. Elliott

Wahrscheinlich haben seit „Pretty Woman“ mehr Männer und Frauen einander gefunden als durch „9 1/2 Wochen“ getrennt worden sind. Trotzdem steckt der Pärchenfilm in einer tiefen Vertrauenskrise. Die Palette der Begattungstechniken ist ausgeschöpft, das gottgewollte Schicksal einer echten Love-Story fehlt. Liebe 93 ist ein Mythos: Der durchschnittliche Kleinbürger langweilt sich zu zweit.

„Frauds – ein schräger Vogel“ umgeht das Wechselspiel um Irrungen und Wirrungen als Comic- Thriller. Frei nach Shakespeare wird der Intrigant in der Figur des verhaltensgestörten Versicherungsagenten Roland Copping (Phil Collins) eingeführt, der das junge Glück aus dem Vakuum seiner fraglosen Selbstsicherheit befreit und schnurstracks an die Grenzen jeder edlen Empfindung treibt. Die Folge: Der Ehemann greift zur Axt, die Frau rodelt einer Kreissäge entgegen, und Collins als Schreckgespenst der kinderlosen Twenfamilie lacht irre über all den Schabernack, der unter seiner Federführung zum Beziehungsdrama ausgewachsen ist.

Copping, ein jungenhafter Mittvierziger, terrorisiert Versicherungsbetrüger nach dem vorgezeichneten Geschick eines Würfelpaars und die Opfer/Täter spielen munter mit. So auch Beth und Jonathan Wheats, sozialliberale Vorstadtyuppies, deren Leben weitgehend höhepunktfrei ist. Nach einem fingierten Einbruch haben sie Roland am Hals, der aus der vom Verbrechen lädierten Zweisamkeit Schweigegeld preßt. Nicht einmal die Hinzunahme von Babyöl kann dem an Collins und der Geldgier zerbrochenen Pärchen danach wieder auf die Sprünge helfen. Irgendwann erfaßt der anarchische Wahnsinn sehr evil-deadlike auch Jonathan und Beth. Von nun an wird zurückgewürfelt.

Großaufnahmen zeigen Coppings verkniffenes Lachen, dem Jonathan (Hugo Weaving) nichts als eine geballte Faust in der Hosentasche entgegenzusetzen weiß. Dabei erweist er sich als dem Versicherungsmaniac ebenbürtig. Auch er hängt der Kindheit nach und bastelt mit Zinnsoldaten an der Schlacht um Waterloo. Den Rest besorgen Special-effects: Frauenohren bleiben an Hörmuscheln in Telefonzellen kleben, Fußgänger werden mit ferngesteuerten Autos zu Tode erschreckt; und beim Showdown rasselt es im Märchenland. Harald Fricke

Stephan Elliott: „Frauds – ein schräger Vogel“. Kamera: Geoff Burton; mit Phil Collins, Hugo Weaving, Josephine Byrnes; Australien 1993, 95 Min.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen