: Dicke Luft im mobilen Ferienheim
■ In vielen Wohnmobilen wabern krebsverdächtige Dämpfe / Kritik auch beim Campingzubehör
In Wohnmobilen und Caravans herrscht häufig dicke Luft. Die Grenzwerte für krebsverdächtiges Formaldehyd werden immer wieder überschritten, denn, gerade in der Sommerhitze, dünsten Plastikteile schädliche Weichmacher aus. Dies bestätigt die Landesgewerbeanstalt Bayern, eine der Institutionen, bei denen die Hersteller ihre Fahrzeuge freiwillig Basis-überprüfen lassen können. Ein Drittel der dort getesteten Mobilheime überschreitet die gültigen Formaldehyd- Grenzwerte.
Das hat seinen Grund. Die rollenden Urlaubsmobile sind derart mit Möbeln vollgestopft, daß selbst formaldehydarme Materialien in der Summe kräftigen Innenraum-Smog verursachen. Vollholzmöbel, die eine giftfreie Alternative sein könnten, sind zu schwer für ein fahrbares Urlaubsheim. Sie werden darum nur von wenigen Herstellern eingebaut. Wenn die Mobile in der prallen Sonne stehen, heizen sie sich stärker auf und setzen mehr Gifte in den Innenraum ab als feste Häuser, die immer noch den Maßstab für Schadstoffmessungen liefern.
Isocyanate aus Schäumen und Lacken stellen gleichfalls ein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar. Zum Teil krebserregende Plastikweichmacher sind für das „fogging“ verantwortlich, bei dem sie sich als schmieriger Film an den Scheiben niederschlagen. Deshalb verwenden einige Hersteller nun „getemperte“, das heißt künstlich vorgealterte Kunststoffe, aus denen keine Weichmacher mehr dringen.
Der hohe Anteil an Kunststoffen und nicht wiederverwertbaren Verbundmaterialien macht die Mobilheime zudem zu einer rollenden Altlast. Eine sinnvolle Entsorgung ausgedienter Urlaubsgefährte ist kaum möglich. Überdies werden Wohnwagen nach Recherchen von ÖKO-TEST immer größer, schwerer und klobiger, denn die Ausstattungswünsche der Urlauber schießen mehr denn je ins Kraut. Spritsparende Aerodynamik, so das Magazin weiter, finde man nur bei wenigen Herstellern. Wohnmobile würden immer mehr als Erstfahrzeug genutzt, dies widerspricht
1dem Umwelttrend zum Kleinwagen. In jedem Fall schleppt man viel Überflüssiges mit sich herum.
Auch Campingzubehör stößt häufig auf Kritik, beispielsweise die Wegwerf-Gaskartuschen oder Benzinkocher, bei denen giftige Dämpfe frei werden. Bei Zelten ist hingegen in jüngster Zeit ein Trend weg vom Problemkunststoff PVC
1hin zu Naturmaterialien, etwa Baumwolle, zu beobachten. Auch Solaranlagen auf dem Wohnmobildach sind im Kommen. ÖKO-TEST empfiehlt, bei Kauf eines Urlaubsgefährts die Ansprüche nicht zu hoch zu schrauben. Für den Sommerurlaub genügt häufig ein Zelt oder Faltcaravan.
Thomas Schmitz-Günther
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