: In der Negativ-Hitliste ganz oben
■ Serie: Berlins schlimmste Straßen (10): In der Zossener Straße in Kreuzberg entstehen durch Unfälle jährlich fünf Millionen Mark an gesellschaftlichen Kosten
Mit einem tiefen, kräftigen Brummen springt die riesige Geländemaschine an. Ich schwinge mich hinter André auf die 750er, suche Halt an seiner Lederkluft. Dann starten wir unsere Testfahrt durch die Zossener Straße in Kreuzberg, die von der Bergmannstraße zum Landwehrkanal führt.
Die Zossener Straße nimmt in der bislang noch unveröffentlichten „Studie zur stadtverträglichen Belastbarkeit der Berliner Innenstadt durch den KFZ-Verkehr“ einen herausragenden Platz ein. Durch Unfälle in der ebenso geschäftigen wie schmalen Straße entstehen der Gesellschaft jährlich Kosten von fast fünf Millionen Mark pro Kilometer Straßenlänge. Die Zossener Straße liegt damit in der Negativ-Hitliste auf Platz zwei, haben die Gutachtergruppen der Gesellschaft für Informatik, Verkehrs- und Umweltplanung (IVU) und der Forschungsgruppe Stadt und Verkehr (FSG) festgestellt. In diese Rechnung, die auf Richtwerten der Straßenplaner fußt, gehen Schwerverletzte mit 54.000 Mark und Leichtverletzte mit 4.100 Mark gesellschaftlichen Kosten ein. Die Alarmgrenze, bei der eine Straße als gefährlich eingestuft wird, hatte die Auftraggeberin, die rot-grüne Umweltsenatorin Schreyer, mit 800.000 Mark Kosten pro Kilometer Straßenlänge festgelegt. Die Zossener Straße überschreitet diesen Wert also um mehr als das Fünffäche.
An der Kreuzung mit der Gneisenaustraße beschließt ein Autofahrer im letzten Moment, doch noch links abzubiegen, was André zu einer kräftigen Bremsung und einem routinierten Ausweichschlenker nach rechts zwingt. An dieser Stelle gab es im Jahr vor der Datenerhebung für die Studie drei Tote: Ein Mercedes-Fahrer war mit sehr hoher Geschwindigkeit die Geneisenaustraße entlanggerast und auf einen querenden Feuerwehrwagen geprallt. Der Aufprall war so heftig, daß der schwere Lastwagen umstürzte.
Die Straße war mal ein Geheimtip als Schleichweg zwischen der Gneisenaustraße und der Urbanstraße oder sogar bis zum Landwehrkanal gewesen, „aber hier ist längst auch dicht“, weiß André. Im Moment ist jedoch freie Fahrt, die ein Audi-Fahrer nutzt, um uns mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit zu überholen. Kurz darauf muß André einem entgegenkommenden Auto Platz auf der eigenen Spur machen, da dieses eine Fahrradfahrerin überholt. Die schmale Straße ist für zügiges Überholen mit Seitenabstand nicht geeignet.
Kaum ein Auto hält unterwegs, wer momentan durch die Zossener Straße fährt, will offenbar zu einer der benachbarten Hauptverkehrsstraßen. Die meisten fahren gar nicht mal übermäßig schnell, auch nicht auf unserem Rückweg in Richtung Süden. Doch als ein Lieferwagen in zweiter Reihe anhält, sind die Nachfolgenden offensichtlich überrascht und bremsen erst spät. „Na, toll“, mault André, als der Lasterfahrer dann auch noch die Tür öffnet, als wir genau auf seiner Höhe sind.
Erneut überqueren wir die Gneisenaustraße. Der Wagen vor uns bremst abrupt, der Fahrer scheint einen Parkplatz entdeckt zu haben, fährt dann aber doch weiter: nur eine Einfahrt. Wenige Meter weiter wieder unvermitteltes Bremsen, wieder ohne Blinken, diesmal ist wirklich ein Platz frei. taz
In der nächsten Folge raten wir von der Wilhelm-Pieck-Straße ab.
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