FU-Protestaktionen werden ausgeweitet

■ Nach der Rost- und Silberlaube sind nun die Medizin-Gebäude blockiert / Vollversammlungen an mehreren Fachbereichen beschließen, Streiks fortzuführen

Im Physiologie-Gebäude der FU-Medizin in Dahlem hatten gestern nur Wissenschaftliche MitarbeiterInnen Zutritt, die in ihre Labors mußten. Mit dieser Besetzung haben die MedizinstudentInnen sich in die FU-Protestaktionen gegen den Hochschulstrukturplan eingeklinkt. Gestern entschied eine neue VV mit 174 gegen 74 Stimmen, den Streik auf die gesamte Vorklinik auszudehnen und bis zu einer neuen Versammlung heute mittag fortzuführen.

Der Aktivität der Medizin-Studis kommt für die Protestwelle an der FU besondere Bedeutung zu, denn nicht nur die Lehrenden der medizinischen Fachbereiche gelten als vergleichsweise konservativ. Für die StudentInnen steht in ihrer stark verschulten medizinischen Ausbildung besonders viel auf dem Spiel, denn sie können sich nur wenige Fehltermine erlauben. Auf einer StudentInnen-Versammlung am Mittwoch abend nahm Dekan Friedrich Körber teil und warnte vor entsprechenden Nachteilen, die sich durch die eintägige Besetzung und den Ausfall von Veranstaltungen ergeben würden. „Zusperren ist unfair“, verurteilte er die Blockadeaktion. „Gerade weil Zusperren unfair ist, wehren wir uns gegen die Zulassungsbeschränkungen“, erwiderte ein Student. Um die „Angebots- und Bedarfsanpassungen in der Region Berlin-Brandenburg“ (O-Ton des Entwurfs zum Landeshochschulstrukturplan) durchzusetzen, soll die Medizinausbildung der FU besonders drastisch gestutzt werden. Im Jahr 2005 sollen nur noch 63,5 Prozent der jetzigen Studienplätze übrig sein, das ist der niedrigste Wert aller Fächergruppen an FU und TU.

Auch an anderen Fachbereichen der FU gingen die Protestaktionen gestern weiter. Am Psychologischen Institut (PI), dessen Studis sich gegen die Zusammenlegung mit dem traditioneller ausgerichteten Institut für Psychologie (IfP) wehrt, fand gestern wieder eine Vollversammlung statt. Die Studis beschlossen, unbefristet weiterzustreiken, bis die Verantwortlichen mit ihnen in Dialog getreten sind. „Bisher haben sie uns als lahme Truppe abgetan, jetzt endlich passiert was“, meinte PI- Studentin Franziska Kley. Für die FU als Ganze werde überwiegend Erhardt als Ansprechpartner gesehen, weniger FU-Präsident Gerlach. Dieser werde von den Studis als Verhandlungspartner nach der gestrigen Wachschutzaktion immer weniger ernstgenommen. Für eine Fortsetzung des Streiks bis Montag entschieden sich die PhilosophInnen, dieses Mal mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit.

An beiden Instituten wurden von der FU-Verwaltung die Telefone, mit denen die Studierenden ihre Aktionen koordinierten, abgestellt. Während die Sperre bei den „Philos“ nur von kurzer Dauer war, erklärte FU-Verwaltungschef Kurt Zegenhagen den PI-BesetzerInnen telefonisch, der Anschluß sei nur für normale Universitätsarbeit bestimmt und nicht für Gespräche mit der Presse, berichtete PI-Student Patrick Beuchler.

Am Fachbereich Chemie findet „aus Sicherheitsgründen“, wie es am Mittwoch auf der Uni-VV hieß, eine Besetzung ohne Streik statt , während das Latein-Amerika-Institut bis heute weiterstreiken will. Auch Ethnologie und Soziologie sind in den Ausstand getreten. Weitere Fachbereiche wollen sich den Aktionen anschließen, so das Otto-Suhr-Institut (Politologie) voraussichtlich am Montag, für den eine VV angesetzt ist. Bei den PublizistInnen soll heute mittag eine Podiumsdiskussion über die Zukunft des Fachbereichs stattfinden. Weitere Großveranstaltungen planen die FU-StudentInnen für die nächsten Wochen, teilweise zusammen mit anderen Universitäten. Am 23. Juni soll Hans-Dietrich Genscher in sein Amt als OSI- Honorarprofessor eingeführt werden, wobei FU-Präsident Gerlach und Wissenschaftssenator Erhardt persönlich anwesend sein werden. Bei dieser Gelegenheit wollen die StudentInnen versuchen, die beiden, die sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben, zu Stellungnahmen zu bewegen. Matthias Fink