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Mehr Kritik am Hochschulstrukturplan

■ Die Zahl der Studienplätze soll in Berlin um 15.000 auf 100.000 reduziert werden / TU: Eine zweckmäßige Strukturplanung ist nicht zu erkennen / Mehr Studienplätze an Fachhochschulen durch...

Noch vor wenigen Wochen schien alles klar in Sachen Hochschulstrukturplan. Die Freie Universität akzeptierte das Papier aus der Wissenschaftsverwaltung. Der gerade gewählte Präsident der TU, Dieter Schumann, beeilte sich zu versichern, daß man zu dem Plan pünktlich und positiv Stellung nehmen werde. Doch auf Drängen der Studierenden hin scheint sich das Blatt zu wenden. Der Hochschulstrukturplan erfährt Kritik bis hin zu totaler Ablehnung. Zu offenbar sind die Folgen seiner Kernaussage, 15.000 Studienplätze in Berlin abzubauen. Hunderte von Professorenstellen fallen bis zum Jahr 2005 weg, die Studienbedingungen werden sich massiv verschlechtern. „Die vorgesehene Strukturplanung“, sagt FU-Präsident Gerlach stellvertretend für die KritikerInnen, „hat für die FU vorerst nur nachteilige Folgen.“

Dabei geht es dem Berliner Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU), folgt man den hochschulpolitischen Leitlinien in dem Plan, um „Qualität und Leistungsfähigkeit, Zusammenarbeit und Wirtschaftlichkeit“. Noch diesen Sommer soll der Senat den Hochschulstrukturplan verabschieden. Die Priorität wäre dann, die Zahl der Studienplätze in Berlin um 15.000 auf 100.000 zu reduzieren. Dies soll in einem Stufenplan geschehen. Die Hochschulen im Ostteil hätten „für den Senat von Berlin Vorrang“, heißt es. Im Plan wird der Ausbau des Fachhochschulbereichs auf ein Drittel der Berliner Kapazitäten angekündigt. „Die Hochschulen in Berlin haben seit Jahren überproportional viele Studierende aufgenommen“, lautet die Begründung für die entscheidende Maßnahme, nämlich massenweise Studienplätze abzubauen.

Naturwissenschaften um ein Achtel verkleinert

Gerade dafür hat man an den Universitäten am wenigsten Verständnis. „Die intellektuellen Funktionen von Hochschulen“ würden damit gänzlich unberücksichtigt, rümpfte die Humboldt-Universität in ihrer Stellungnahme die Nase. Ein – noch nicht verabschiedeter – Kompromiß-Kommentar der TU meint, „der andauernde Abbau von Studienplätzen ist als vornehmlich finanzpolitische Maßnahme des Senats anzusehen“. Eine zweckmäßige Strukturplanung für Berlins Hochschullandschaft sei ihr der Vorlage nicht zu entnehmen.

Tatsächlich fiel der entscheidende Beschluß des Senats, künftig nur noch 100.000 Studienplätze in Berlin anzubieten, bereits im Oktober 1991. Daraus macht auch niemand einen Hehl, schon gar nicht der Wissenschaftssenator. Er braucht den Strukturplan, um seine im letzten Semester von außen verhängten Zulassungsbeschränkungen gerichtsfest zu machen. Die Verwaltungsgerichte hatten reihenweise Studierende gegen Erhardts Numerus Clausus etwa in die Studiengänge Architektur (TU) und Tiermedizin (FU) hineingelassen. Es fehle, so begründeten die Richter, eine übergeordnete Strukturplanung für Berlin. Mit dem Hochschulstrukturplan läge aber für die Justiz eine Rechtsgrundlage vor.

Die Kritik an dem Plan ist inzwischen bis in studentische Kreise vorgedrungen. Noch vor wenigen Wochen wußten die Studierenden nicht einmal, was der Hochschulstrukturplan ist. „Wir demonstrieren gegen die Hochschulreformen des Senats, weil dabei 600 Professorenstellen gestrichen werden“, sagte beim „Spartag“ am vergangenen Mittwoch Matthias, Medizinstudent im 5. Semester. So viele sind es nicht. Die FU verliert laut Plan bis zum Jahr 2005 685 Stellen, darunter 286 nichtwissenschaftliches Personal. Prozentual wirkt sich der Rückbau vor allem bei den Geisteswissenschaften aus. Die Germanistik, die Geschichtswissenschaften, die fremdsprachlichen Philologien schrumpfen um rund 35 Prozent. Rechts- und Wirtschaftswissenschaften geben ein Fünftel ihres Personals ab. Die Naturwissenschaftlichen Studiengänge wie Physik, Chemie, Biologie werden im Schnitt um 16 Prozent abgemagert.

Was bleibt oder sogar steigen wird, sind die StudentInnenzahlen. „Berlin als Hauptstadt und größte Metropole Deutschlands wird auch weiterhin eine besondere Anziehungskraft auf Studierende ausüben“, meint Bernd Fick vom AStA der TU. Er kritisiert, daß der Wissenschaftssenator den Abbau von Studienplätzen in Berlin mit dem Aufbau in Brandenburg rechtfertigt. Warum aber sollte Brandenburg die in der Hauptstadt abgelehnten Studienbewerber aufnehmen, wundert sich Fick.

Kritik kommt aus den Fachhochschulen. Sie kritisieren, daß der Ausbau der Fachhochschulen um rund 40 Prozent nicht möglich sei – wenn man dem Strukturplan genau lese. Es sei „ein Berliner Universitätsstrukturplan“, kritiserte der Präsident der Technischen Fachhochschule Günther Siegel. „Sehr enttäuscht“ sei er, weil die Fachhochschulen im Hochschulstrukturplan gerade mit zwei Seiten berücksichtigt seien. Tatsächlich ist der Strukturplan weitaus weniger euphorisch als Wissenschaftssenator Erhardt, der dem Ausbau der FHs stets Priorität einräumt. In seinem Plan ist die Rede davon, die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Karlshorst auszubauen. Dies habe Vorrang. „Ein weiterer Ausbau über die bisherige Planung ist nicht vordringlich“, heißt es. Erhardt kann sich allzuleicht darauf berufen, seine Zielzahl schon jetzt erreicht zu haben. Er rechnet einfach die Berliner Fachhochschulen des Bundes, der Telekom und die für „Verwaltung und Rechtspflege“ mit – und schon bieten die FHs in Berlin ein Drittel der Studienplätze an. Nicht ausreichend berücksichtigt fühlen sich auch die Frauen. Christine Färber, Frauenbeauftragte an der FU, kritisierte, daß Frauen nur auf einer halben Seite des Hochschulstrukturplans vorkämen. Ironischerweise stehen die Frauen zwar im Forschungsteils des Plans. Qualitative Aussagen über Frauenforschung würden aber nicht gemacht.

Der Hochschulstrukturplan rührt aber auch an einer der Grundfesten der Berliner Universitätsverfassung. Statt der Kuratorien könne ein Berliner Universitätsrat eingesetzt werden, „der über die oftmals anzutreffenden Gruppen-Egoismen in den Kuratorien hinausweist“. Gerade Berlin habe die Möglichkeit gesellschaftlichen Einflusses auf die Universität unter Wahrung größtmöglicher Autonomie durch eine Kuratorialverfassung gesetzlich festgelegt. Viele andere Bundesländer streben diese Regelung an. Warum, so fragt Fick, sollte Berlin diese abschaffen? Die TU übernimmt Ficks Einschätzung, wie es aussieht. „Die derzeitige Kuratorialverfassung hat sich für die TU weitgehend bewährt“, heißt es in der Stellungnahme des Akademischen Senats zum Hochschulstrukturplan. Vereinfachungen seien zwar möglich, ein Abschaffung aber nicht sinnvoll. Christian Füller

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