Dresdener SPDler neigen zu Scharping

■ Doch glücklich ist die Basis nicht über das Aufgebot an KandidatInnen / Für viele ist es eine Negativauswahl

Lutz Tittmann hält in einer Hand den tropfenden Leimpinsel, in der anderen den Telefonhörer. Ein Schuldirektor ist in der Leitung und beschwert sich über ein SPD-Plakat am Schulzaun. Parteiwerbung wäre das und unerhört. Auf dem Plakat wird ein Forum „Schule und Gewalt“ angekündigt.

Während der Dresdener SPD- Unterbezirksgeschäftsführer Tittmann kopfschüttelnd die restlichen Plakate einkleistert und auf Pappen zieht, überdenkt er noch einmal die „PR-Tour“ der ambitionierten Engholm-Nachfolger. Gerhard Schröder war in Zwickau und Leipzig, „die Heidi“ in Chemnitz und Richard Scharping in Dresden.

„Leider“ habe er „aus Zeitgründen“ nur die Dresdener Veranstaltung erleben können. „Dort wurde ich in meiner Auffassung bestätigt“, resümiert er, „daß ich den Richard Scharping wählen werde.“ Erstens sei „die Heidi nicht geeignet“. Nicht etwa, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie „bei konkreten Fragen zu oft ausweicht“. Und den Gerhard Schröder könne er nicht mehr wählen, weil der sich „so solidarisch gegenüber Engholm“ aufgeführt habe.

Bleibt also nur noch einer übrig, und besonders glücklich ist der Dresdener SPD-Chef nicht bei diesem Gedanken. „Eigentlich ist das ja eine Negativauswahl“, sinniert er, „mehr war nicht drin.“ Zwar habe er „einen guten Eindruck“ von Scharping bekommen. Doch wohler wäre ihm gewesen, wenn die Entscheidung über die Engholm-Nachfolge auf den Wiesbadener Parteitag verlegt worden wäre.

„Wir hätten uns doch locker den Sachthemen widmen können, mit einem amtierenden Vorsitzenden Johannes Rau. Wer zwingt uns denn, den ganzen Sommer lang Personaldebatten zu führen außer wir selbst?“ Die Kandidaten hätten sich an Sachthemen und nicht nur in einer PR-Tour darstellen können. „Vielleicht wäre dann für mich eine Positivauswahl möglich gewesen?

Alles spricht für ein Kopf-an-Kopf-Rennen

Die Fragen bleiben im Raum stehen, denn es ist nun einmal anders gekommen. Lutz Tittmann weiß von vielen Dresdener GenossInnen, daß es ihnen ähnlich schwer fällt, sich zu entscheiden. Er rechnet mit einem „Kopf-an-Kopf- Rennen zwischen Schröder und Scharping“, wobei Scharping wohl mehr Sympathien auf seiner Seite habe.

Noch unsicherer ist sich der Gymnasiast Falk Bretschneider, eines der jüngsten der 450 Dresdener Parteimitglieder. Er wisse immer noch nicht, wo er sein „Kreuz machen“ werde. Scharping habe „keine überzeugenden Konzepte für Ostdeutschland vorgelegt“, auch Schröder habe „den Osten zuwenig in seine Ziele einbezogen“. Heidi Wieczorek-Zeul sei „eine Linke“, was ihm „nicht unangenehm“ sei. Ihr die Stimme zu geben, hält er jedoch für wenig sinnvoll, denn sie habe „sowieso keine Chance“. Vielleicht werde er sich doch noch für Scharping entscheiden. Immerhin läßt der Zulauf zu den Stationen der Politmarketing- Tour für den Sonntag eine recht hohe Beteiligung der sächsischen GenossInnen erwarten. Als Heidi Wieczorek-Zeul in Chemnitz sprach, konnten viele BesucherInnen nur noch von außen in den städtischen SPD-Saal schauen. Gerhard Schröder bekam von den Leipziger SPDlern Beifall für seine schnörkellose Rede, die sich weniger an der Ost-West-Beziehungskiste festhielt als an der Frage, wie man in ganz Deutschland „Einkommen und Auskommen durch Arbeit sichert“.

Auch in Dresden war der Saal voll. Scharping stellte vor den GenossInnen, die sogar aus Hoyerswerda angereist waren, unumwunden klar: „Ich möchte euer Chef werden!“ Vielleicht entscheidet am Ende das Live-Erlebnis über die Stimmabgabe. Detlef Krell, Dresden