: Schwere Kämpfe: Bosnien bald ohne Blauhelme?
■ Briten bereiten schon die Evakuierung ihres Kontingents vor / Friedensgespräche hoffnungslos
Genf (taz) – Angesichts der schweren Gefechte in Bosnien-Herzegowina sowie brutaler Angriffe auf Soldaten und Hilfskonvois der UNO droht ein Rückzug der Unprofor-Truppe. Entsprechende Warnungen äußerte am Wochenende deren oberkommandierender General Philippe Morillon. Die Regierung in London bereitet nach einem Bericht der Sunday Times schon eine Evakuierung des rund 3.000 Mann starken britischen Unprofor-Kontingents vor. Ab Dienstag abend sollen in Genf die Präsidenten Bosniens-Herzegowinas, Serbiens und Kroatiens, Alija Izetbegović, Slobodan Milošević und Franjo Tudjman zu einem gemeinsamen Treffen mit den beiden Vorsitzenden der Internationalen Jugoslawienkonferenz David Owen und Thorvald Stoltenberg zusammenkommen.
Acht Tote und zahlreiche Schwerverletzte forderte am Samstag ein serbischer Artillerieangriff auf eine muslimische Trauerfeier in Sarajevo. Die mehrheitlich von Muslimen bewohnte ostbosnische Stadt Gorazde – vor bereits fünf Wochen vom UNO-Sicherheitsrat zur „Schutzzone“ erklärt – erlebte am Wochenende einen der schlimmsten Angiffe seit Beginn ihrer Belagerung vor 14 Monaten. Der heftige Beschuß aus serbischen Panzern und Geschützen forderte allein innerhalb von 24 Stunden 75 Tote unter den 60.000 Menschen, die in der Stadt eingeschlossen sind. Die serbischen Kommandeure lassen nach wie vor keine Beobachter oder Hilfslieferungen der UNO in die Stadt. Von den 500 Lastwagen eines privaten Hilfskonvois, der seit knapp zwei Wochen die ebenfalls überwiegend muslimisch bewohnte Stadt Tuzla zu erreichen sucht, gelangten am Wochenende nur 250 Lkw bis nach Zenica. Die anderen 250 wurden von kroatischen Milizionären geplündert. Bei den Überfällen auf die Lastwagen beschossen die Kroaten gezielt britische Unprofor-Soldaten, die einen Teil des Konvois begleiteten. Die Kroaten verstärkten am Wochenende auch wieder ihre Angriffe auf die muslimisch bewohnten Teile der Stadt Mostar. Ein Leutnant des spanischen Unprofor-Kontingents wurde am Samstag von kroatischen Milizen erschossen.
„Wenn die drei bosnischen Volksgruppen bis zum letzten Blutstropfen weiterkämpfen wollen, können wir hier nichts mehr tun“, erklärte Unprofor-General Morillon. Er habe sich „einer Katastrophe noch nie so nahe gefühlt“. In Bosnien- Herzegowina drohe nun „die totale Anarchie“. Dann bliebe nur noch der vollständige Abzug der rund 8.000 Unprofor-Soldaten. Die britische Regierung hat laut Sunday Times mindestens 1.500 Soldaten ihrer in Deutschland stationierten Hubschrauberverbände in Alarmbereitschaft versetzt. Sie sollen bei einer Evakuierung des britischen Unprofor-Kontingents eingesetzt werden.
Das geplante Gipfeltreffen der drei Präsidenten, an denen auch die Führer der bosnischen Serben und Kroaten, Radovan Karadžić und Mate Boban teilnehmen sollen, gilt in Genf als allerletzter Versuch, den Vance/Owen-Plan doch noch zu retten. Andreas Zumach Seite 8, siehe auch Seite 4
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