: Streikbeginn zum Frühstück
■ 1600 Karstadtverkäuferinnen legten die Arbeit nieder Von Kai von Appen
Unter bundesweitem Interesse begann gestern morgen der Streik im Hamburger Einzelhandel: 1600 Beschäftigte in drei Karstadtlagern sowie die VerkäuferInnen von Karstadt-Filialen Harburg und Neugraben legten die Arbeit nieder. Es ist das erste Tarifgebiet, in dem die Gewerkschaften durch Arbeitskampf ihrer Forderung nach höherem Gehalt und Verbesserungen des Manteltarifs Nachdruck verleihen.
Den Auftakt bildeten mit Beginn der Frühschicht die Mitarbeiter des Karstadt Lagers Billbrook. Hier legten nach einem Aufruf der Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen (HBV) 600 MitarbeiterInnen die Arbeit nieder. Gegen acht Uhr morgens meldete die Streikleitung Vollzug: „Hier läuft nichts mehr.“ Lediglich die Belieferung der Lebensmittelabteilungen in den Filialen wird durch einen Notdienst aufrechterhalten.
Großes Interesse fand der Streikbeginn bei Karstadt in Harburg. Hier waren 600 VerkäuferInnen ihren Arbeitsplätzen ferngeblieben und hatten vor den Glastüren der Kaufpaläste mit ihren „Wir streiken“-Plakaten Position bezogen. Der Streikbeginn wurde live vom ARD-Frühstücksmagazin übertragen, das eigens einen Übertragungswagen des Westdeutschen Rundunks an die Elbe geschickt hatte. Grund: Den Tarifkontrahenten des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen, die sich am Morgen an den Verhandlungstisch setzen wollten, sollte ein Eindruck vom Streikauftakt vermittelt werden.
Die Gewerkschaften HBV und DAG sind über das Verhalten der Einzelhändler sauer: Zwei Mal seien bereits gemachte Angebote auf Druck des Bundesverbands komplett wieder zurückgezogen worden. DAG-Sprecher Uwe Martens: „Das ist eine Demütigung aller Beschäftigten des Hamburger Einzelhandels.“ Der Sprecher des Einzelhandelverbands und Chef der bestreikten Harburger Karstadt-Filiale, Bernd Hartmann, versuchte den Vorwurf zu entkräften: „Der Streikbeginn kommt zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Wir haben das Angebot nicht zurückgezogen, sondern nur modifiziert.“ Modifiziert auf Null.
HBV-Geschäftsführer Hinrich Feddersen kündigte an, den Arbeitskampf am langen Donnerstag nun auch auf die Hamburger City auszudehnen. Die HBV fordert für die 77.000 VerkäuferInnen Gehaltserhöhungen von 200 Mark sowie die Anhebung von Urlaubs-, Weihnachtsgeld und der Vermögenswirksamen Leistungen sowie Ausgleichszahlungen für familienfeindliche Arbeitszeiten. Eine Verkäuferin: „Das Verkäuferinnen-Brutto-Endgehalt beträgt derzeit 2800 Mark. Eine junge Kollegin muß für ein Anfangsgehalt von 2200 Mark brutto schuften.
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