■ Illustre Illustrierte (3): Mach mir den Hecht!
Bislang habe ich gedacht, Angler seien, zumal in Deutschland, absolut verhaltensgestört. Einsame Miesepeter, die unkommunikativ mit einem Stock vor einer dreckig-trüben Brühe sitzen, um in Doktor-Hackethal-Manier der Forelle giftgrün oder dem ausgeräucherten Aal Sterbehilfe zu leisten.
Rute und Rolle hat mich eines Besseren belehrt. Das deutsche Angler-Magazin ist eindeutig die pfiffigste unter den ansonst recht drögen, muskel- und macho- orientierten Sportzeitschriften. Geniale Überschriften wie „Sag mir, wo die Fische stehen“ oder – beim Artikel über den Steinbuttfang – „Da sind sie aber platt“ erinnern gar an die taz vergangener Tage. Der Erfolg des Hefts liegt freilich auch darin, daß es manch ein verschämter Familienvati aus Versehen statt der St.-Pauli- Nachrichten erwirbt – der Titel ködert ja nicht nur die Fischfreunde. Doch Rute und Rolle verschafft selbst rolligen Lesern Befriedigung, wenn sie nur ein wenig Phantasie besitzen: „Blubbern erregt die Kapitalen“, heißt es etwa in einem Artikel über Wobbler, die Blasen werfen und damit den Hecht reizen. Doch keine Vorfreude, in erster Linie erfüllt das Heft das Kleine Einmaleins der Spezialzeitschriften. Da gibt es, umrahmt von Anzeigen, den „Fisch des Monats“, die beliebte Sammelserie „Fische von A-Z“ und natürlich das Preisrätsel „Fische erkennen und gewinnen“. Die größten Fänge stellt die „Top 23“ vor. Strahlender Juni-Sieger ist Daniel Günther, der einen 90 Zentimeter langen Aal mit einem Mistwurm aus einem Gewässer bei Zschopau zerrte. Wer hätte gedacht, daß es dort mehr als Plaste und Elaste gibt.
Doch im Vergleich mit den USA kommen die Angler an Elbe und Rhein gar nicht gut weg. Während Rudi aus Bad Friedrichshall stolz seine urdeutsche Heimwerker-Idee „Teppichrest hält Ruten fest“ preist, sind hinter dem Ozean längst elektronische Angel-Frösche der Hit, die man ferngesteuert von Seerosenblatt zu Seerosenblatt schwimmen und per Knopfdruck quaken lassen kann. „Daß die Amis verrückt sind, weiß ja die ganze Welt – aber besonders verrückt sind die amerikanischen Angler“, meint da nicht nur der Autor, sondern auch die Rute und Rolle-Redaktion.
Nicht zuletzt sei das Heft allen Hobbyköchen an den Herd gelegt. Sie finden darin zum einen Rezepte, wie man aus Soyamehl und Weizenkeimen einen echten Vollwert-Köder rührt, zum anderen die Anleitung, wie man den damit geköderten Barsch in ein überbackenes Filet verwandelt. Und damit hat Rute und Rolle mindestens das Prädikat „gut und drollig“ verdient. Micha Schulze
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