: Umweltgruppen brechen Gentech-Dialog ab
■ Technikfolgenabschätzung zu herbizidresistenten Pflanzen ist geplatzt / Unter Protest verließen die kritischen Organisationen das Verfahren
Der erste bundesweite „Runde Tisch“ zur Gentechnologie ist gescheitert. Mit einer scharfen Kritik am Verfahrensablauf verweigerten die VertreterInnen der acht beteiligten Umweltorganisationen, unter anderem des BUNDs, des Öko-Instituts, des Umweltinstituts München und des Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN), ihre weitere Teilnahme an dem Projekt zur Folgenabschätzung und -bewertung von herbizidresistenten Gentech-Pflanzen. Ihre Absage begründeten sie zu Beginn der Abschlußveranstaltung, die in der vergangenen Woche in Wandlitz bei Berlin stattfand, vor allem mit der mangelnden Transparenz des Verfahrens. Einige der VerfahrensteilnehmerInnen hätten vollendete Tatsachen geschaffen, die von der Umweltbewegung nachträglich legitimiert werden sollten. Zudem hätten sich bei ihnen „erhebliche Zweifel an der Korrektheit und fairen Auswertung der eingebrachten Ergebnisse und Argumente“ ergeben.
Die KritikerInnen zogen damit nach über zweijähriger – zum Teil sehr intensiver – Mitarbeit einen Schlußstrich unter das am „Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung“ (WZB) angesiedelte und vom Bundesforschungsministerium finanzierte Verfahren zur Technikfolgenabschätzung. Dabei sollte, so Professor Wolfgang van den Daele vom WZB, gerade dieses Verfahren beispielhaft vorführen, wie es gelingen kann, circa 50 VertreterInnen aus der Industrie, den Behörden, den wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen und den Umweltorganisationen gleichberechtigt an einen Tisch zu bekommen, um über die Folgen der umstrittenen Technologie zu diskutieren und Empfehlungen zu erarbeiten. Trotz des Auszuges der Umweltorganisationen sah van den Daele das Verfahren nicht als gescheitert an. Die Abschlußkonferenz wurde dann auch wie vorgesehen fortgesetzt.
Bereits zu Beginn des Verfahrens hatten die Umweltorganisationen Vorbehalte gegen das Verfahren geäußert und sich nur mit „einigen Bauchschmerzen“ darauf eingelassen. Von den Projektleitern war von Anfang an vorgesehen, daß am Ende des Verfahrens ein von allen Beteiligten getragenes Endergebnis stehen soll. Es war damals bereits abzusehen, daß es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein würde, sich mit den IndustrievertreterInnen über die Risiken und den Nutzen von herbizidresistenten Pflanzen zu einigen. Die KritikerInnen befürchteten daher, daß sie nur dazu benutzt werden sollten, die Akzeptanz für die Gentechnologie in der Öffentlichkeit zu fördern.
Im nachhinein sehen sich die Umweltgruppen in ihren anfänglichen Bedenken bestätigt. So haben mehrere der am WZB-Verfahren beteiligten TeilnehmerInnen aus der Industrie, von den Behörden und der Wissenschaft Freisetzungsvorhaben mit gentechnisch hergestellten, herbizidresistenten Pflanzen betrieben, „ohne darüber Informationen freiwillig in das Verfahren einzuspeisen und die Vorhaben zur Disposition zu stellen.“ Der Chemiekonzern Ciba- Geigy betreibt derzeit Freisetzungen mit herbizidresistentem Soja, die Hoechst AG hat Freilandversuche in Kanada durchgeführt, die Kleinwanzlebener Saatzucht AG (KWS) pflanzte ihre virus- und herbizidresistenten Zuckerrüben aus, und ein Münchener Forscherteam bereitet seit Mitte des letzten Jahres ein Experiment mit Pflanzen der Hoechst AG vor, die gegen das Herbizid Basta widerstandsfähig gemacht worden sind. – „Es war klar, daß mit dem WZB-Projekt kein Moratorium für Freisetzungen verbunden ist“, so Barbara Weber vom Öko-Institut, „aber was mich stört, ist die Personalunion von Freisetzern und Teilnehmern des WZB-Projektes. Um den Anspruch eines offenen Diskurses zu erfüllen, hätten diese Informationen eingebracht werden müssen.“
Von einer Chancengleichheit bei diesem Verfahren konnte keine Rede sein. Sie wurde schon allein durch die Masse der erstellten Papiere zuungunsten der Umweltgruppen entschieden. Selbst die Projektleiter und ihre MitarbeiterInnen sahen sich nicht dazu in der Lage, die Materialien vollständig aufzuarbeiten. Während die Industrievertreter über ausreichend Zeit und Mitarbeiter verfügten, wurden die VertreterInnen der Umweltgruppen, die sich zum Teil auch noch ehrenamtlich an dem Verfahren beteiligten, an den Rand ihrer Ressourcen gedrängt und von anderen Aufgaben abgehalten. Für zukünftige Verfahren forderten sie daher auch einen finanziellen Ausgleich ein.
In ihrer Ausstiegsbegründung sparten die Umweltorganisationen auch nicht an Kritik gegenüber den MitarbeiterInnen des WZB, die das Verfahren maßgeblich gesteuert haben. So seien die Fragestellungen fast ausschließlich auf die Technik ausgerichtet gewesen. Die Frage, ob die intensive Anwendung von Herbiziden angesichts von steigenden Agrarüberschüssen in der EG überhaupt erforderlich sei, wurde von vornherein ausgeblendet. Alternative Verfahren, „die ohne chemische, Nahrung und Trinkwasser verseuchende Gifte operieren, wurden im Verfahren kaum geprüft“. Die eingebrachten grundsätzlichen Bedenken gegen den chemisierten Landbau seien in der vom WZB angefertigten Auswertung gänzlich zugunsten einer möglichen Verbesserung mittels gentechnischer Strategien verschwunden. Damit sei die Suche nach sinnvollen Wegen zur Lösung der Probleme in der Landwirtschaft „systematisch verstellt worden“. Um eine umfassende Technikfolgenbewertung vornehmen zu können, hätten – ähnlich wie bei der Energiediskussion – alternative Entwicklungspfade zum Vergleich entwickelt werden müssen.
Die KritikerInnen warfen der Projektleitung vor, ihre Voreingenommenheit zugunsten der Gentechnologiebetreiber in das Verfahren eingebracht zu haben. Anscheinend hatten sie damit auch nicht ganz unrecht, denn van den Daele gab zu, daß er den fundamentalen Widerstand der Umweltbewegung für eine „politische Katastrophe“ hält, und er plädiere dafür, diesen „sinnlosen Widerstand“ abzubrechen. Wolfgang Löhr
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