: Goražde fällt, UN debattiert
Genfer Gipfel der ex-jugoslawischen Präsidenten soll neuen serbo-kroatischen Krieg verhindern / Zusammenschluß der bosnischen und kroatischen Serben nicht zu verhindern ■ Aus Genf Andreas Zumach
Mit einer erneuten Verhandlungsrunde der Präsidenten Bosnien-Herzegowinas, Serbiens und Kroatiens, sowie der Führer der bosnischen Serben und Kroaten unternehmen die internationalen Vermittler Owen-Stoltenberg heute und morgen in Genf einen weiteren Versuch zur Wiederbelebung des UN-Friedensplans für Bosnien-Herzegowina. Währenddessen stand die UN-Sicherheitszone Goražde gestern kurz vor der Kapitulation vor den serbischen Belagerern. Trotzdem bemühen sich Owen und Stoltenberg um die Aufrechterhaltung der Fiktion, der Plan, der eine Aufteilung Bosniens in zehn autonome Kantone nach nationalem Proporz vorsieht, sei nach wie vor eine reelle Grundlage für die Friedensbemühungen.
Unterstützt wurden sie durch entsprechende Lippenbekenntnisse vor allem der EG-Regierungen. Thorwald Stoltenberg behauptete im Mai sogar, der Plan werde in seinen Bestimmungen über eine Interimsphase bis zur Abhaltung von Wahlen „bereits umgesetzt“. Die Unterzeichnung durch Serbenführer Karadžić in Athen sei „weiterhin gültig“, auch „nach der Ablehnung“ sowohl durch das selbsternannte „Parlament“ der bosnischen Serben und durch das Referendum in den 70 Prozent Bosniens, die von serbischen Truppen gehalten werden. Diese Einschätzung wurde schon am letzten Wochenende durch den Sprecher der internationalen Jugoslawienkonferenz eindeutig korrigiert. Der völlig frustrierte Fred Eckhard, der diese Woche seinen Posten aufgibt, verwies darauf, daß der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić den Plan inzwischen mehrfach für „tot“ erklärt und in den letzten sechs Wochen die Teilnahme an Verhandlungen zur Umsetzung des Abkommens verweigert hatte.
Dabei kann er sich inzwischen auf prominente Unterstützung berufen. Offensichtlich ohne jede Absprache mit Stoltenberg und Owen schlug UNO-Generalsekretär Butros Ghali am Montag am Rande der UNO-Menschenrechtskonferenz die Einberufung einer neuen Jugoslawienkonferenz vor. Dort solle „auf der Basis des während des Vance-Owen-Prozesses Erreichten ein Abkommen ausgehandelt werden, das die Zustimmung aller Konfliktparteien“ finde. Mit der Sprachregelung vom „Prozeß“ hat der UNO-Generalsekretär die bisherige Haltung der US-Administration übernommen und sich praktisch den Realitäten ergeben. Der letzte Anstoß für Ghalis Sinneswandel dürfte die Weigerung vor allem der westlichen Staaten gewesen sein, die für den Schutz der von ihnen selber im Sicherheitsrat durchgesetzten sechs „Sicherheitszonen“ in Bosnien benötigten Bodentruppen zur Verfügung zu stellen. UNPROFOR-General Philippe Morillon und seine Militärexperten hatten zur Erfüllung dieser Aufgabe die Verstärkung der derzeit knapp 8.000 in Bosnien stationierten UNPROFOR-Soldaten um 34.500 Mann gefordert. Ghali erhielt jedoch nur Zusagen für 7.500 zusätzliche Soldaten.
Angsichts dieser Schwäche der UNO dürften die bosnischen Serben nach der Einnahme der Stadt Goražde dieselbe Strategie verfolgen, die sie schon in Srebenica erfolgreich durchgesetzt haben: Als Bedingung für einen Waffenstillstand und den Verzicht auf das Massakrieren der 60.000 bis 70.000 in der Stadt eingeschlossenen Menschen werden die muslimischen Verteidigungstruppen von der UNPROFOR entwaffnet.
Als wenig aussichtsreich gilt auch der Versuch Owens und Stoltenbergs, auf dem Umweg über den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević die Serben in der kroatischen Krajina noch von der Durchführung ihres Referendums abzubringen. Die kroatische Regierung unter Präsident Franjo Tudjman wird das absehbare Ergebnis der Abstimmung – die endgültige Trennung der Kraijna von Kroatien und ihre Fusion mit der von den bosnischen Serben ausgerufenen „Republik“ — mit einer Wiederaufnahme des Krieges zunächst gegen die serbischen Besatzungssoldaten in der Krajina und anderen Teilen Kroatiens beantworten. In Genf wird davon ausgegangen, daß Tudjman und Milošević verstärkt Truppen nach Bosnien-Herzegownia entsenden werden, und der kroatisch-serbische Krieg mittelfristig dann vor allem auf diesem Schlachtfeld toben wird. Mit einer Zustimmung des Tudjman-Regimes zur Verlängerung des Mandats für die in Kroatien stationierten rund 14.000 UNPROFOR-Soldaten, das am 30. Juni ausläuft, ist dann nicht mehr zu rechnen. Schon in den nächsten Wochen könnte es zum Abzug der UNPROFOR sowohl aus Bosnien, als auch aus Kroatien kommen.
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