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Die Angst der Parteisekretäre vor der Basokratie

■ Auch in CDU und FDP drängen Mitglieder zu den Urnen / Generalsekretäre wehren ab

Bonn (AFP) – Angesichts der regen Teilnahme an der SPD-Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz werden jetzt auch in der CDU und der FDP Forderungen laut, die Basis stärker an Personalentscheidungen zu beteiligen. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Angela Merkel, CDU-Generalsekretär Peter Hintze und sein neuer FDP-Kollege Werner Hoyer wiesen entsprechende Vorschläge allerdings umgehend zurück. Führende SPD-Politiker sprachen sich dafür aus, auch den Kanzlerkandidaten von den SPD-Mitgliedern wählen zu lassen.

Unionsgeschäftsführer Rüttgers wertete die hohe Beteiligung bei der SPD-Mitgliederbefragung als Beleg dafür, daß es den Parteien „mehr als nur gut zu Gesicht steht, die Gremienwirtschaft zurückzuschneiden und die Entscheidungsverfahren durchsichtiger und für alle Mitglieder offener zu machen“. Der Vorsitzende der Jungen Union, Hermann Gröhe, und der CDU-Spitzenkandidat bei der nächsten Landtagswahl in Niedersachsen, Christian Wulff, befürworteten, die CDU-Kandidaten für Landtags- und Bundestagswahlen in einer Urwahl zu bestimmen. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Ronald Pofalla und Manfred Kolbe forderten darüber hinaus, auch den Parteivorsitzenden von den Mitgliedern wählen zu lassen.

Bundesjugendministerin Merkel lehnte dagegen Urabstimmungen der Parteibasis in Sach- und Personalfragen strikt ab. Das Verfahren der SPD sei „allenfalls scheindemokratisch“, weil letztlich gerade 25 Prozent der Mitglieder Scharping gewählt hätten. Der neue FDP-Generalsekretär Hoyer warnte vor populistischem Verhalten und einem „ersten Schritt in die falsche Richtung, an deren Ende das imperative Mandat“ stehe.

Für eine Urwahl des Kanzlerkandidaten plädierten in der SPD der hessische Ministerpräsident Hans Eichel, der stellvertretende Fraktionschef im Bundestag, Rudolf Dreßler, und der Sozialexperte Günter Heyenn. Auch Fraktionsvize Anke Fuchs sprach sich in der Zeitung „B.Z.“ grundsätzlich dafür aus, sofern mehrere Bewerber da seien. Der Vorsitzende der IG Chemie und SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Rappe forderte den saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine auf, auf eine Kanzlerkandidatur zu verzichten: Lafontaine solle „noch heute das Handtuch, das er für seine Bewerbung in den Ring geworfen hat, zurückholen“.

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