: SPD-Heckenschützen gegen die Ampel
■ 12 Renegaten beim Mißtrauensvotum gegen Fücks / Kudella: „Jetzt ist alles möglich“
Ralf Fücks bleibt Umweltsenator, aber die Regierungskrise ist da. Auf diese kurze Formel läßt sich das Ergebnis des Mißtrauensvotums der CDU gegen den Grünen bringen, das gestern in der Bürgerschaft abgestimmt wurde. Für Fücks stimmten nur 51 ParlamentarierInnen, 43 gegen ihn, 4 enthielten sich. Das bedeutet, daß zwölf Koalitionäre gegen Fücks votiert haben. Und hinterher wollte es niemand gewesen sein. Sämtliche Beobachter gehen davon aus, daß alle Heckenschützen aus der SPD kommen. Ralf Fücks konsterniert: „Das ist ein Stück aus dem politischen Tollhaus.“
Von DVU und SPD fehlten je eine Abgeordnete. Damit reduzierte sich die Ampel-Mehrheit auf 61, der 32 CDU-Stimmen, noch drei der DVU und zwei der Nationalkonservativen gegenüberstanden. Wobei allerdings die beiden DVU-Abweichler Altermann und Nennstiel erklärten, daß sie nicht mit der CDU gestimmt hatten. Im Klartext: Nur mit den beiden Ex-DVU-Abgeordneten kam Fücks über 50 Stimmen. Die Ampel hat keine Mehrheit mehr.
Der Abstimmung war eine eher matte Debatte vorausgegangen, doch trotz aller Kritik auch aus den Reihen der Koalition: Es entstand der Eindruck relativer Geschlossenheit. Hatten doch am Tage zuvor die größten Kritiker innerhalb der FDP, Braun und Ziegler, noch einmal öffentlich erklärt, daß sie zur Ampel stünden. Und hatte doch noch SPD-Fraktionschef Dittbrenner Einzelgespräche mit allen SPD-Abgeordneten geführt: Da hatte keiner erklärt, mit der Opposition zu stimmen.
Umso größer war der Schock innerhalb der Ampel und der Jubel bei der CDU. „Ich bin von Heuchlern umgeben“, wetterte ein stocksauerer Claus Dittbrenner. In einer eilends einberufenen Fraktionssitzung hatte er die Vertrauensfrage gestellt, und die Fraktion hatte ihn bestätigt. Nur auf die Frage, ob irgendwer in der SPD etwas zu erklären habe, da hatte Schweigen geherrscht. Nach der Fraktionssitzung schien keiner der Sozialdemokraten größeres Interesse an einer schnellen Klärung zu haben. Die Gegner waren wieder abgetaucht und hinterließen eine große Ratlosigkeit. Jetzt wird verschoben. Klaus Wedemeier: „Gewisse Dinge muß man ruhen lassen. ich fahre in Urlaub.“
Die CDU wittert Morgenluft: Fraktionschef Kudella erklärte noch einmal seine Bereitschaft zu Gesprächen sowohl mit der FDP als auch mit der SPD. Aber vorerst will die CDU abwarten, was sich innerhalb der Ampel tut.
Bei den Grünen herrschte dagegen Gewitterstimmung: „Wenn sich die Gegner nicht erklären, dann ist die Ampel kaputt“, erklärte Fraktionssprecherin Karoline Linnert. Ralf Fücks forderte eine offene Diskussion innerhalb der SPD. „Noch bin ich Senator und ziemlich kampfeslustig.“
Bei der FDP herrschte Ratlosigkeit: Gerade waren noch die Grünen das Problem, nun das. Peter Braun: „Das ist keine tragfähige Basis.“ Bei der FDP keimt nun die Hoffnung, Mit den Grünen ein solideres Politikmanagement trotz eines Wackelpartners SPD hinzubekommen.
Für gestern Abend hatten die Koalitionäre eine Krisenrunde anberaumt. Die Grünen forderten mit der FDP, daß die SPD ihren Halbzeitparteitag vorzieht. „Das ist der klassische Fall für Neuwahlen“, hieß es aus den Reihen der Grünen. Aber dafür braucht man 100 Prozent der Abgeordneten. Jochen Grabler
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