: Hilfe für die Reichen
■ Bonns Landwirtschaftsminister stellte die Grundsätze seiner Agrarpolitik vor
Berlin/Bonn (taz/dpa) – Der studierte Landwirt lud die Presse in die Akademie der Landjugend in Röttgen. Dort, im Bonner Vorort, wollte Jochen Borchert, seit sechs Monaten Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik, seine bislang kaum erkennbare Agrarpolitik erläutern. Die Liste der Ziele ist lang; ganz am Ende, auf Platz neun, steht „die Verbesserung des Verbraucherschutzes.“
Aber auch die deutschen Bauern sollen klarer sehen, was ihnen aus Bonn auf den Tisch kommt: Hilfen für den Ausstieg der Kleinen, Finanzspritzen für die Größeren, die noch so rentabel wirtschaften, daß sie investieren können. Nur so sei die Wettbewerbsfähigkeit des „Agrarstandorts Deutschland“ zu sichern. Unbürokratisch soll in beiden Fällen geholfen werden, und auch in der EG möchte Borchert den Verordnungswust ordnen. Eine deutsche Forderung nach Vereinfachung der Agrarreform liegt seit Monaten in Brüssel.
Liberaler würde die europäische Marktordnung dadurch nicht. Auch Borchert beharrt darauf, daß ein „Außenschutz“ der EG gegen amerikanische Farmer ebenso wie gegen Exporteure aus der Dritten Welt erforderlich sei. Und die nach der EG-Reform des letzten Jahres sinkenden Erzeugerpreise im Inland werden auch in Zukunft mit Steuergroschen aufgewogen. Borchert: „Ohne direkte Einkommenshilfen geht es nicht.“
Zu diesen, noch nicht genau bezifferbaren Subventionen kommen noch etwa 7 Milliarden Mark Prämien für stillgelegte Anbauflächen. Auch dieses Geld fließt nach Meinung der oppositionellen „Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirte“ vor allem in die Kassen der Großbetriebe und der Agrounternehmen, die schon das große Erdöl-Ersatzgeschäft mit Raps oder Schilfgras wittern. Sie dürfen auf Borchert zählen. An vierter Stelle seiner Aufgabenliste nennt der Minister „die weitere Erschließung von nachwachsenden Rohstoffen.“ Produkte für die Industrie fallen unter keine EG- Agrarrichtlinie und dürfen deshalb auch auf Äckern gepflanzt werden, die zuvor gegen Entschädigung aus der Staatskasse stillgelegt wurden.
Kaum noch Sorgen macht sich der Minister über die Landwirtschaft der ehemaligen DDR. Die dort mit bislang 17 Milliarden Mark geförderten Betriebe hätten beste Aussichten für den EG- Markt. Trotzdem soll die Sonderförderung bis 1995 verlängert werden. Trost aber auch für die Bäuerinnen, die bislang ohne eigene Rente auskommen müssen: die Agrar-Sozialreform, die Kanzler Kohl erst neulich vom Kabinettstisch gewischt hatte, soll in diesem Jahr doch noch beschlossen werden. nh
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