■ Zur massiven Kritik der USA an Bonns Jugoslawienpolitik
: Einen empfindlichen Nerv getroffen

In der Sache hat US-Außenminister Christopher völlig recht, wenn er ungewöhnlich deutlich Kritik an der von Genscher/Kohl Ende 91 durchgesetzten Anerkennung ex-jugoslawischer Republiken durch die EG übt. Nicht weil diese grundsätzlich falsch war, sondern verfrüht und unkoordiniert erfolgte – unter Mißachtung der von der EG selber aufgestellten Anerkennungskriterien und vor allem ohne jegliches Konzept für die (sicherheits-) politische und ökonomische Stabilisierung der neuen Nationalstaaten. Entsprechende Warnungen wurden damals rechtzeitig erhoben. Daß Genscher diese sämtlich in den Wind schlug, darin liegt seine schwere Mitverantwortung für die anhaltende Katastrophe auf dem Balkan.

Wird aber Christophers Attacke dazu beitragen, daß die Gründe für das damalige Verhalten Bonns und der EG endlich einmal breite öffentliche Aufarbeitung erfahren? Die ersten Reaktionen aus dem Hause von Genschers Nachfolger Kinkel sind in ihrer Härte beispiellos in der Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen seit 1949. Sie sind eine Mischung aus Halbwahrheiten und Selbstbetrug und versuchen weiterhin, ein dunkles Kapitel deutscher Außenpolitik zu verdrängen. Die Person des Anklägers erleichtert die Verdrängung natürlich. Ist Christopher doch wesentlich verantwortlich für die verheerende Bosnien-Politik der Clinton-Regierung. Deren Anteil an der Verantwortung für die Kata-

strophe in Ex-Jugoslawien ist nur deswegen geringer als der Westeuropas, weil sie erst kurze Zeit im Amt ist.

Der innerwestliche Streit dürfte nach dem nunmehr offiziell eingestandenen Scheitern des Vance/ Owen-Plans für Bosnien weiter eskalieren. Bosnien ist nicht zuletzt auch ein Feld, auf dem die Neuverteilung von Macht, Einflußssphären und Gewichten im transatlantischen Verhältnis nach dem Ende der Ost- West-Konfrontation ausgetragen wird.

Die leidenden Menschen vor Ort dürfte diese Auseinandersetzung nicht interessieren. Sie haben eher den transatlantischen Konsens zu befürchten, das Thema endlich von der internationalen Tagesordnung zu bringen. Die Dreiteilung Bosniens auf Kosten der muslimischen Bevölkerung ist akzeptiert in Bonn, Washington und allen anderen westlichen Hauptstädten ebenso wie in Moskau. Zwecks Gesichtswahrung muß dieser fait accompli allerdings formal von Vertretern aller drei Kriegsparteien akzeptiert werden. Entweder gelingt es, Präsident Izetbegović mit Zuckerbrot und Peitsche auch noch hierzu zu zwingen – oder er wird eiskalt ersetzt durch einen „kooperativeren“ Nachfolger. Andreas Zumach