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Berliner Hauptstadt-Bescheidenheit

Immer neue Hindernisse für den Regierungsumzug nach Berlin / Zwei Jahre nach dem Berlin-Beschluß des Bundestages bremst der Streit ums Geld die Hauptstadtplanung  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Keiner meint es mit Berlin so gut, wie der Bonner OB Hans Daniels. Und keiner könnte Bonn bessere Ratschläge erteilen, als Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen. Niemals, so warnte Daniels am Donnerstag, dürfe sich die Bundesregierung beim Ausbau der Hauptstadt Berlin mit „mickrigen Unterkünften“ zufriedengeben. Bei ihm, so revanchierte sich Diepgen am Freitag früh, hätten sich bereits „einzelne Investoren beschwert“, wie schwierig es sei, mit der Stadt Bonn über die Übernahme heutiger Regierungsgebäude handelseinig zu werden. Trüge Diepgen „Verantwortung“ in Bonn, würde er das anders machen.

Zwei Jahre nach dem Bundestagsbeschluß vom 21. Juni 1991, Regierung und Bundestag vom Rhein an die Spree zu verlegen, strebt der Austausch falscher Freundlichkeiten zwischen den beiden unfreiwilligen Partnerstädten neuen Höhepunkten entgegen. Unzufrieden müssen beide sein: Daniels darüber, daß der Beschluß immer noch besteht. Diepgen deswegen, weil der Umzug nach wie vor in weiter Ferne liegt. Berufsoptimisten wie Diepgen und der CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble sprechen inzwischen von einem Umzugstermin im Jahr 1998 – immerhin zwei bis vier Jahre nach dem im Bundestagsbeschluß angepeilten Abschlußjahr.

In den letzten Tagen konnten die Berliner die schlechten Nachrichten fast schon en gros entgegennehmen. Erst verkündete CSU-Finanzminister Theo Waigel, daß der Berlin-Umzug beim Streichen und Sparen „kein Tabu“ sein dürfe. Prompt, so wurde im Bonner Bauministerium bestätigt, strichen Waigels Beamten 400 Millionen Mark für die Renovierung von Ministeriumsbauten in Berlin aus den Haushaltsentwürfen für 1994 und kürzten weitere Millionen, die für Beamtenwohnungen an der Spree vorgesehen waren. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus.

Am Mittwoch schließlich verweigerte der Haushaltsausschuß des Bundestages sein „Okay“ für den Entwicklungsvertrag, mit dem Bundesregierung und Berliner Senat die Erschließung des künftigen Regierungsviertels im Berliner Spreebogen regeln wollte. Von Gesamtkosten von 1,33 Milliarden Mark sollte der Bund laut Vertrag zwei Drittel tragen. Das erschien den Abgeordneten zu viel, die vom Senat erstellte Kostenschätzung zweifelten sie an. Die Summe sei „deutlich zu niedrig“ angesetzt, argwöhnte der Ausschußvorsitzende Rudi Walther (SPD).

Die Berlin-Befürworter im Bundestag glauben sich zwar noch in der Mehrheit, müssen aber fast täglich neuen Fallen ausweichen. Sobald es um die Umzugsplanung gehe, äußere sich der Bonn- Freund Walther „bewußt und gezielt tendenziös“ schimpfte der Berliner SPD-Abgeordnete Niels Diederich. Aus dem umstrittenen Vertrag, so korrigierte Diederich seinen Parteifreund, entstünden für den Bund allenfalls Kosten von 500 Millionen und dies verteilt über zehn Jahre.

Nicht zufällig war es bislang stets die Bonn-Lobby, die – wie Bürgermeister Daniels – für einen möglichst aufwendigen Hauptstadtausbau plädierten: Das Kostenargument sollte auf die Berliner zurückfallen. So ist es in deren Sinn, daß nun beim Umbau des Reichstages auf teure Neubauten verzichtet werden soll. Am Donnerstag abend stellten die drei Preisträger des Architektenwettbewerbs – Norman Foster, Santiago Calatrava und Piet den Bruyn – der Bau- und der Konzeptkommission des Bundestages ihre abgespeckten Entwürfe vor. Die Umbaukosten lägen jetzt nur noch bei 300 Millionen Mark, freute sich der Berliner FDP-Abgeordnete Jürgen Starnick.

Die „Berliner Bescheidenheit“, die Diepgen gestern für sich in Anspruch nahm, hat aber auch ihre Grenzen. „Da stimmt doch irgendwas nicht“, schimpfte der Senatschef, wenn man in Bonn nach wie vor Milliarden verbaue, für Berlin hingegen nicht einmal Planungsmittel bewilligen wolle. Der Bundeskanzler, so forderte der Senatschef, müsse seinen Finanzminister per „Richtlinienkompetenz“ stoppen. Doch auch Diepgen weiß, daß Helmut Kohl seinen Finanzminister unterstützt, wenn dieser angesichts des Bonner Schuldenbergs alle Ausgabenblöcke „auf den Prüfstand“ stellen will.

Selbst der aus Berlin ins Kabinett geholte Wirtschaftsminister Günther Rexrodt mußte schon zurückstecken. Bei Amtsantritt im Januar kündigte der FDP-Mann eine rasche Verlagerung einzelner Abteilungen seines Ministeriums an. Inzwischen, so sagen es seine Mitarbeiter, mußte er einsehen, daß alles „etwas komplizierter ist, als er sich das am Anfang gedacht hat“. Immerhin seien 300 der 2.000 Ministeriumsbeschäftigten heute schon in der Berliner Außenstelle tätig – nur hätten sie dort bisher kaum etwas zu tun. Die meisten Entscheidungen würden weiterhin in Bonn gefällt. Rexrodts neues Ziel: Der Berliner Außenstelle eine sinnvolle Beschäftigung verschaffen.

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