■ Bonn-apart: Manege frei für Roß und Elefant
Bonn (taz) – Lustig, lustig, trallallallalla. So ist das Politikerleben. Glauben Sie nicht? Haben Sie nicht Klaus Kinkel am Samstag abend im Fernsehen gesehen? Wie er beim geselligen Abend des FDP-Parteitags in der Münsteraner Reithalle gewohnt hemdsärmlig und zupackend versuchte, ein edles Roß zu besteigen.
Doch leider, leider war die Schwerkraft stärker, und Kinkel glitt danieder. Ja, das ist wahre Tragik: Kaum als FDP-Vorsitzender im Sattel und schon aufs falsche Pferd gesetzt. Haben wir gelacht.
Teil zwei der Kabinett-, nein, Kabarett-Reihe wurde am Mittwoch in Bonn aufgeführt. Beim alljährlichen Kinderfest im Bundeskanzleramt. 3.000 Kinder, angekarrt aus der ganzen Republik, warfen sich rein, was rein ging: Cola, Würstchen, Eis, Wettbewerbe und Musik; und in die Tüten: Aufkleber, Müller-Milch und Promi-Autogramme. Ein Fest wie ein Videoclip.
Und zwischen Disco, Rätselquiz und dem Hamburger-Stand des großen amerikanischen Frikadellen-Imperiums: die größten und kindischsten aller Kinder, schlipsgewürgt und schrecklich fröhlich. Von Attraktion zu Attraktion eilend, wollten sie doch selbst die größte sein! Angela Merkel etwa, wie sie fließend russisch parlierend die 29 Kinder aus Minsk begrüßt und vom ganzen Kabinett stolz beklatscht wird („Unsere Angela halt ...“). Oder Norbert Blüm an der Kletterwand: angeschnallt und: huch, ist das hoch! Theo Waigel barfuß als Fakir und nebenan mit Laserkanone, Herr Kinkel, beam' uns hoch, Klausi, und – als Höhepunkt der politischen Zirkusvorstellung – Kanzler Kohl vor dem Fußballtor. Konzentration – und, und, ja, da ist sie, seine Zunge spielt im linken Mundwinkel. Und Schuß. Unnachahmlich dieses Abziehbild seiner selbst.
Müssen wir verraten, wer auf einem Elefanten durch das Tempeltor der gesundheitlichen Aufklärung ritt? Natürlich war es Norbert Blüm, der das Tier und sich selbst mit Karotten fütterte und nebenher aufpassen mußte, daß ihm sein Hintermann Horst Seehofer nicht von der Dickhaut rutschte. Auch für Rainer Ortleb: Manege frei! Allein Klaus Kinkel verzichtete auf die Elefanten- Nummer. Aufstieg und Fall – das gab's schließlich diese Woche doch schon mal. Myriam Schönecker
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