: Die Trecker-Tracks
■ Lehmkrustige Satire auf blanker CD: "Frühstyxradio"
Es ist Sonntag morgen. Über der niedersächsischen Steppe lastet brütende Hitze. Der Zeiger der Sonnenuhr nähert sich unaufhaltsam der Zwölf – High-noon. Auf der Feuerstelle brodelt bereits seit Stunden das Wasser, um eine Knolle von an sich ungenießbarer Konsistenz in eine armselige, aber eßbare Mahlzeit zu verwandeln – erst wenn sie weichgekocht ist, „al dente“, wie die Einheimischen sagen, kann die nährstoffreiche Kartoffel verspeist werden.
Unterdessen lagert Jung und Alt rund ums UKW-Empfangsgerät. Altertümliche Röhrenverstärker sind für die Steppenvölker oft die einzige Verbindung zur Zivilisation; das Radio erfüllt aber auch soziale Funktion. So ist der gemeinschaftliche Hörgenuß am Sonntag morgen gleichsam zum Ritual geworden. Andächtig lauschen die Stammesangehörigen den Worten und Klängen, die aus den beiden Lautsprechern des Kral-Blasters an ihre lehmverkrusteten Ohren dringen.
In der einige Tagesreisen entfernten, am Rande des Busches gelegenen kleinen Rundfunkstation Radio ffn leistet ein Team junger Entwicklungshelfer seit ein paar Jahren verdienstvolle Pionierarbeit und produziert alle sieben Tage unter dem Titel „Frühstyxradio“ ein informatives Programm für jene Naturvölker, die sonst keine Signale zu hören bekommen. In den strukturschwachen Einöden des Nordens muß der Rundfunk essentielle Aufgaben übernehmen.
Eine Expedition ins Bierreich
Der Lebensberater der engagierten Gruppe, Herr Radioven, beispielsweise könnte Leben retten, wenn ihm nur mal jemand richtig zuhören würde. Onkel Hotte wendet sich mit drolligem Schnurren an die kleinen Hörer, aber auch die Großen spitzen die Ohren, wenn ein mit schleimbelegter Stimme vorgetragenes „Es war einmal ...“ eine neue unappetitliche Geschichte verheißt. Spannende Reportagen aus dem Reich der Fauna sind das Spezialgebiet des biodynamischen Mitarbeiters „Der Kleine Tierfreund“; als profunder Beobachter der politischen Szene pflegt „Günther, der Treckerfahrer“, das politische Funk-Essay in der Tradition eines Axel Eggebrecht, Hermann Hoffmann oder Heino Jaeger.
Packende Milieustudien liefern dagegen „Frieda & Annliese“ und die beiden Arschkrampen „Kurt & Gürgen“. Von ihren Expeditionen ins Bierreich bringen sie stets beklemmende Tondokumente mit ins Studio. Ihr jüngstes abendfüllendes Feature „Ekelerregend“ und die Sammlung „Arschkrampen im Land der Leguane“ – darin enthalten Programmhöhepunkte wie „Göbelblanca“ oder „An den Ufern des Urinoko“ nebst Gastauftritten von Fury Schröder und Gerhard In The Slaughterhouse – sind nunmehr auf CD und MC erhältlich.
Eine Preisliste aller einschlägigen Tonträger mit sämtlichen Werken der Genannten sowie „Supi! Supi! Supi!“, dem silberbeschlagenen Erstling des forsch vortragenden Autors Wiglaf Droste, sind abzufordern bei: „Frühstyxradio“, Friedrich-Ebert-Str. 111, 28 199 Bremen. Harald Keller
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