: Duft der heilen Welt
■ Tagung: Dritte-Welt-Werbung zwischen Elend und Exotik
„Den haben sie nicht ertragen“, erzählt der Werbemanager Wolfgang Lebrecht, der für Peter Stuyvesant die Come Together-Kampagne gemanagt hat. „Den“, das ist ein lachender Schwarzer mit weit aufgerissenem roten Mund und dunkler, sehr dunkler Hautfarbe. Die Testpersonen haben diesen Spot „ganz schnell weggeknipst“, als Printanzeige „sogar rausgerissen“. Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? – Wir alle, sagt Lebrecht. Das „andere“ in der Werbung „ist immer schreckend und faszinierend zugleich“, so der Werbestratege. Und das muß wohldosiert sein. In der Folge wurde das bedrohliche Element reduziert, stieg Come Together auf hellhäutigere „Fremde“ um, buddhistische Mönche und „bunte“ Indios und „Schwarze“ im Roberto-Blanco- Format.
Karitative treffen Kreative
Der Kommunikationsprofi aus der Zigarettenindustrie plaudert vor ungewohntem Publikum aus dem Nähkästchen. Denn zu der Tagung über die „Dritte Welt in der Werbung – Werbung für die Dritte Welt“ Mitte vergangener Woche waren vor allem die Öffentlichkeitsarbeiter der Hilfsorganisationen ins hessische Seeheim gekommen: von Terre des Hommes bis Misereor, vom Eine-Welt-Haus in Halle bis zur Welthungerhilfe – all jene also, die von Berufs wegen die Probleme der Dritten Welt erklären oder die Werbetrommel für das geregelte Spendenaufkommen rühren müssen.
Man wolle sich bewußt auf das „Erfolgskonzept der kommerziellen Werbung einlassen“, hatten die Veranstalter (Grimme-Institut, Evangelische Akademie Arnoldshain, Landesfilmdienst Hessen) vorab verkündet. Weniger um die „geheimen Verführer“ zu entlarven, als vielmehr um von der kommerziellen Werbung – und auch von der Kritik an ihr – für die eigene Öffentlichkeitsarbeit zu lernen. Eine Tagung, so bemerkte die Gießener Politologin Sigrid Baringhorst denn auch, wie sie vor zehn oder zwanzig Jahren wohl undenkbar gewesen wäre. Den alten Vorwurf, die Werbung zeige „falsche“ Bilder der Dritten Welt, verweist der Come Together-Manager kurzerhand ins Seitenaus: Die Werbung zeige keine Bilder „der Dritten Welt“, sie zeige Bilder unserer Sehnsüchte. Mit einem „Charakter“ belegte Produktmarken seien „Medizin für unsere seelischen Defizite“, so Lebrechts These. Erschlagende Beweisführung: Ihren höchsten Marktanteil habe die „weltoffene“ Come Together-Stuyvesant in Niederbayern und Oberfranken, mit über 25 Prozent. In Aachen hingegen, das an der Grenze zu Holland und Belgien liegt, „sind wir“, so Werbestratege Lebrecht, „nie über 0,2 Prozent hinausgekommen“.
Das Eigene bedarf der Fremdheit, konstatiert auch Sigrid Baringhorst; und in der Werbung wird diese Fremdheit, ihres Bedrohungspotentials weitgehend entkleidet, neu konstruiert. Während den Türken in unseren Städten zunehmend Haß entgegenschlägt, werden in der Werbung die mythischen Bilder des prachtvollen Orients wiederbelebt. Doch diese Heile-Welt-Inszenierungen der kommerziellen Werbung seien nur scheinbar das Gegenteil in den „Heilt die Welt!“-Inszenierungen der Hilfsorganisationen, formuliert Baringhorst provozierend. Denn in beiden Fällen wird der Objektstatus der Bewohner des Südens zementiert: in der romantisierenden Werbung als Objekte der Zivilisationsflucht, in der moralisierenden Spendenkampagne als Objekte der karitativen Hilfe. Das Ergebnis ist vor allem eine Solidarität der Spender untereinander, nicht jedoch der Spender mit den Armen.
Ökonomie und Moral, so die These von Baringhaus, lassen sich nicht mehr so sauber trennen, wie es der Zeitplan der Tagung suggeriert: Erster Tag – „Kommerzielle Werbung“, Zweiter Tag – „Wir“. Übersetzt: Wie die Zigarettenreklame auf die Reaktion ihrer Zielgruppe, so muß auch die Hilfsorganisation auf ihre Klientel und Spender Rücksicht nehmen. Und deren Bedürfnisse sind tendenziell: in der Geberrolle bestätigt zu werden, nicht selber in Frage gestellt zu werden. Das Foto, das bei Come Together als zu irritierend durchgefallen ist, käme womöglich auch nicht für den Jahreskalender der Karitativen in Frage – aus dem gleichen Grund.
Mehrfach wurde bei der Tagung auch ein Unbehagen mit der klassischen „Schuldkommunikation“ der Hilfsorganisationen deutlich: das schreckliche Elend darzustellen, auf die Mitschuld des Nordens, also auch des Zuschauers, zu verweisen, um dann auf seine Kompensationsreaktion in Form der Spende zu hoffen. Beispielhaft dafür ist der jüngste Werbespot von Brot für die Welt: nach einer Kaskade von Katastrophen- und Elendsbildern, hektisch geschnitten wie CNN im Schnelldurchlauf, als Schlußaufnahme ein totes Kind mit aufgerissenem Mund und ausgestochenen Augen. Der Film müsse sich ja „in einem Umfeld zwischen anderen Spots behaupten“, da müsse man „wohl zum Teil auch mit Bildern arbeiten, die an eine ,Pornographie des Elends‘ angrenzen“, meint Herbert Hassold, Leiter des Öffentlichkeitsreferats von Brot für die Welt. Daß am Ende des Horrorstakkatos der Spruch folgt: Was die Welt braucht, ist Hilfe zur Selbsthilfe – Brot für die Welt, das, so räumt er ein, fände er allerdings selbst auch „etwas zu platt“.
Produktwerbung mit politischem Inhalt zu verbinden, über die Lebensbedingungen der Bauern und gerechtere Preise aufzuklären, versucht in weniger dramatisierter Form auch die „TransFair“-Kampagne für „fair gehandelten“ Kaffee. Was er als Werbefachmann denn davon halte, fragte eine Teilnehmerin den Come Together-Macher. „Ich kenne keine funktionierende Kampagne, die mit rationalen Argumenten arbeitet“, so Lebrechts bündige Antwort. „Sie werden tolle Umfrageergebnisse bekommen – aber das ist auch alles. Wenn's funktionieren soll, müssen Sie emotionale Werte schaffen. Zum Beispiel: ,Wir haun den Hamburger Pfeffersäcken vorn Kopf‘ – das wäre was anderes, das wäre einen Versuch wert.“ Bert Hoffmann
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