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Serben und Kroaten immer einiger

■ Milošević, Karadžić, Tudjman, Boban, UNO und EG wollen jetzt alle gemeinsam eine „Konföderalisierung“ Bosniens

Genf (taz) – Die Präsidenten Serbiens und Kroatiens, Milošević und Tudjman, haben diese Woche in Genf eine Reihe von Verfassungsprinzipien für eine „Konföderation“ dreier ethnischer „Republiken“ vorgestellt, mit der sie den bisherigen Einheitsstaat Bosnien-Herzegowina ersetzen wollen. Die Idee einer „Konföderation“ wurde am Mittwoch von den Vermittlern der UNO und EG, Stoltenberg und Owen, abgesegnet und ist seitdem auch von den Führern der bosnischen Serben und Kroaten, Karadžić und Boban, angenommen worden; ursprünglich hatten diese auf völlig unabhängige Separatstaaten gedrängt und nicht einmal den von UNO und EG verlangten Anschein der Erhaltung Bosnien-Herzegowinas wahren wollen.

Nach dem jetzt vorliegenden Vorschlag sollen die Regierungen und Parlamente der serbischen, kroatischen und muslimanischen Republiken weitreichende Kompetenzen erhalten; der vorgesehene gemeinsame Überbau aus führenden Vertretern der drei Republiken hat nur sehr eingeschränkte Rechte und kann zudem jederzeit durch das Veto einer der Republiken völlig blockiert werden. Die Möglichkeit zum späteren Anschluß der Teilrepubliken an Serbien oder Kroatien wird ausdrücklich offengelassen.

Das Dokument beginnt mit dem Satz: „Bosnien-Herzegowina ist eine aus drei verfassungsmäßigen Volksgruppen bestehende Konföderation; die meisten ihrer Regierungsfunktionen werden von den drei Republiken wahrgenommen.“ Alle Angelegenheiten, die „von vitalem Interesse“ für eine der drei Volksgruppen und ihre Republik sind, sollen „in der Verfassung dieser Republik geregelt werden“. Die drei Republiken sollen eigene „demokratisch gewählte Parlamente und Regierungen“ haben sowie ein „unabhängiges Justizsystem“. Als gemeinsamer Überbau ist die von den Präsidenten der drei Republiken gebildete „Präsidentschaft der Konföderation“ vorgesehen, ein neunköpfiger „Ministerrat“ mit je drei Mitgliedern aus den drei Republiken und ein „konföderales Parlament“. Für den Vorsitz des Ministerrates sowie für das Amt des Außenministers ist ein in seinen Details noch offenes Rotationsverfahren vorgesehen. Die Mitglieder des Konföderations-Parlaments sollen nicht direkt von allen Wahlberechtigten gewählt, sondern von den Parlamenten der drei Republiken bestimmt werden.

Die noch in den Verfassungsprinzipien des Vance-Owen-Plans enthaltene Formulierung, die darin vorgesehen zehn Provinzen des Staates Bosnien-Herzegowina seien „kein internationales Subjekt“, ist in dem neuen Dokument nicht mehr enthalten. Statt des damals ausnahmslosen Verbots von „Vereinbarungen der Provinzen mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen“ sollen die Republiken jetzt hierzu das Recht haben, solange eine solche Vereinbarung nicht „den Interessen einer anderen Republik schadet“. Damit ist die Hintertür offen für den von den bosnischen Serben und Kroaten zumindest längerfristig angestrebten Anschluß ihrer Republik an das jeweilige „Mutterland“.

Owen äußerte sich in Genf am Donnerstag abend zufrieden mit dem neuen Dokument und forderte das bosnische Präsidium auf, sich bei seiner für gestern in Zagreb geplanten Sitzung zu „direkten Verhandlungen“ mit Karadžić und Boban zu entscheiden. Unklarheit herrschte gestern noch, ob der bosnische Präsident Alija Izetbegović an dem Treffen des bosnischen Präsidiums teilnehmen würde. Eine Sprecherin der bosnischen Botschaft in der kroatischen Hauptstadt sagte, da Sarajevo umzingelt sei, könne Alija Izetbegović nicht nach Zagreb gelangen.

Unterdessen wurde bekannt, daß ein belgischer General die Nachfolge des Franzosen Morillon als Kommandeur der UNO-truppen in Bosnien-Herzegowina übernehmen soll. Morillon wird seinen Posten in Kürze abgeben. azu

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