piwik no script img

Erfolg der Plastikindustrie

■ Mit ihrer Verweigerungshaltung hat sich die VGK aus der Affaire gezogen / Umweltminister Leinen für Verbrennung

Saarbrücken/Berlin (taz) – Der Grüne Punkt ist zwischen alle Fronten geraten. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Heinrich von Lersner, kritisiert ihn als Täuschung der VerbraucherInnen. Das Symbol sei lediglich ein Zeichen des Dualen Systems Deutschland (DSD) und gewähre nicht die Müllverwertung der einzelnen Verpackung, sagte Lersner gestern im Süddeutschen Rundfunk.

Der Gesamtverband der Kunststoffverarbeitenden Industrie (GKV) hob ebenfalls zu einer Tirade gegen das DSD an. Die Konstruktion der ganzen Verpackungsverordnung aus dem Hause Töpfer sei falsch und müsse deshalb dringend novelliert werden. Das Ziel der Plastikverarbeiter aber ist klar: Sie wollen mit dem ganzen Müll nichts zu tun haben und plädieren deshalb für eine „thermische Verwertung“ – sprich Verbrennung.

Schon am Freitag hatte die Verwertungsgesellschaft für gebrauchte Kunststoffe (VGK), hinter der die Kunststoffhersteller stehen, angekündigt, sie werde keinen Plastikmüll aus den gelben Säcken mehr abnehmen. Das DSD, das durch die mangelden Verarbeitungskapazitäten für Plastik in den letzten Wochen arg unter Druck geraten ist, kündigte die Gründung einer neuen Verwertungsgesellschaft für Kunststoff mit dem Namen DEKUR an. Die VerbraucherInnen wurden aufgefordert, auch weiter Plastikverpackungen in die gelben Säcke zu stopfen, obwohl bis zum Jahresende ein unverarbeitbarer Plastikmüllberg von einigen hundert Tonnen erwartet wird. Den Plastikherstellern dürfte diese neuste Entwicklung ausgesprochen lieb sein: denn sie wollen mit der unwirtschaftlichen Wiederverwertung am liebsten gar nichts zu tun haben. Mit ihrer permanenten Verweigerungshaltung haben sie jetzt offenbar ihr Ziel erreicht.

Rückendeckung bekommen diejenigen, die eine Verbrennung des Plastikmülls als „thermisches Recycling“ bezeichnen, ausgerechnet vom Vorsitzenden der Umweltministerkonferenz, Jo Leinen (SPD). Der saarländische Umweltminister sagte am Wochenende, er könne die Verbrennung der Kunststoffabfälle mit dem Grünen Punkt nicht mehr ausschließen. Die Umweltministerkonferenz werde darüber bereits am heutigen Montag in Bonn beraten.

Im Saarländischen Rundfunk wies Leinen den Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion, das Duale System abzuschaffen, als „vorschnell und voreilig“ zurück. Wörtlich sagte er: „Das Duale System leidet nicht an einem Mißerfolg, sondern an einem Übererfolg.“ Die Bürger hätten mehr Verpackungen in die gelben Säcke gesteckt als vorgesehen. Im Gegensatz zu Forderungen auch aus der eigenen Partei will der Saar- Umweltminister den Handel weiterhin von der Rücknahmepflicht beim Verpackungsmüll freistellen. Die Rückgabe an der Ladenkasse könne nicht funktionieren. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß die deutsche Bevölkerung ihre Milchtüten und Joghurtbecher mit zurücknimmt in die Geschäfte, wo sie die Gegenstände gekauft haben“, so Leinen. Für die Zukunft des Dualen Systems zeigte sich der Minister optimistisch: „Hier muß man durch. Es wäre doch wirklich ein Witz, wenn unsere Gesellschaft nicht mit Verpackungen fertigwürde.“ F.T./aje

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen