■ Noch kein Ende des bewaffneten Kampfes in Sicht
: Blutig weiter

Statt des heißersehnten ersten großen Fahndungserfolgs seit bald zehn Jahren mußte Alexander von Stahl am Sonntag abend zwei weitere Tote präsentieren. Der Generalbundesanwalt und die Verantwortlichen der Supertruppe GSG-9 werden zu klären haben, warum die Festnahme zweier zwar bewaffneter, aber ahnungsloser Zielpersonen in einem Blutbad enden mußte, bei dem selbst Unbeteiligte nur per Zufall mit dem Leben davonkamen. Inwieweit die „ermittlungstaktische“ Schweigsamkeit der Karlsruher Behörde nach dem Drama auch zur Verdunkelung eigener Fehler mit tragischen Folgen dient, wird sich noch erweisen. Festzuhalten bleibt: Die nach über zwei Jahren relativer Ruhe nicht völlig abwegige Hoffnung, der Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder könnte das letzte Opfer dieser aus der Zeit des Kalten Krieges übriggebliebenen Auseinandersetzung bleiben, hat sich zerschlagen. Es ist zu befürchten, daß auch Wolfgang Grams und der namenlose GSG-9- Beamte nicht die letzten Toten bleiben.

Warum geht es offenbar ewig weiter? Die Frage richtet sich an beide Parteien dieses Krieges. Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld waren offensichtlich Mitglieder der RAF-Untergrundgruppe. Die RAF-Illegalen müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie immer noch jeden Festnahmeversuch mit einer wilden und oft tödlichen Ballerei beantworten. Schließlich kam von ihnen selbst im vergangenen Jahr die Erkenntnis, daß „revolutionäre Gewalt“ ihren Sinn verliere, wo die alltägliche Gewalt zur gesellschaftlichen Normalität geworden ist. Und sehr praktisch gedacht: Grams und Hogefeld konnten konkrete Anschläge der RAF vermutlich gar nicht nachgewiesen werden. Wären sie den Fahndern unbewaffnet in die Hände gelaufen, hätten sie vor Gericht gute Chancen gehabt.

Die RAF hat im April 1992 ihren Verzicht auf Attentate gegen „führende Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat“ erklärt. Sie hat sich daran gehalten. Und auf die kleinen Repräsentanten? Ist es angemessen, unter diesen Umständen weiter bewaffnet herumzulaufen, um gegebenenfalls Polizeibeamte zu erschießen? Natürlich gilt diese Frage in gewisser Weise auch umgekehrt: Hat die staatliche Seite irgend etwas Konstruktives dafür getan, daß dem Verzicht der Gewalt gegen die großen Tiere, der gegen die kleinen folgt? Die Deeskalationserklärung der RAF blieb bis heute ohne Antwort. Seit dem Anschlag auf den Knast von Weiterstadt warten die Fahnder, daß sich die RAF nun regelmäßig auf ähnlich unblutige Weise aus der Deckung wagt – und ihnen dabei in die Falle läuft. Es ist ein Traum ohne Perspektive. Der Sonntagnachmittag hat es bewiesen. Gerd Rosenkranz