: Lauwarmes UNOsono
■ Keine Kritik des Sicherheitsrates am Raketenangriff der USA im Irak
Berlin/Washington/Kairo (APS/AFP/taz) – Auf einer eigens einberufenen Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates begründete die UN-Botschafterin der USA, Madeleine Albright, Sonntag nacht den amerikanischen Raketenangriff auf das irakische Geheimdienstgebäude im Bagdader Stadtteil Mansur. Bei dem Angriff waren zahlreiche Iraker verletzt und sechs getötet worden. Wie der US-Präsident berief auch sie sich bei der Legitimation des Angriffs auf Paragraph 51, Absatz VII, der UN- Charta. Sie hatte damit die wenig reizvolle Aufgabe, dem versammelten Gremium zu erklären, daß ein nicht durchgeführter Attentatsplan gegen einen früheren Präsidenten die Voraussetzungen der Bestimmung erfülle, daß es sich mithin um einen „Angriff auf die USA“ gehandelt habe. Schließlich würde jedes Land einen Angriff auf ein früheres Staatsoberhaupt als Angriff auf sich selbst sehen und reagieren, sagte sie.
Während ihres Vortrages präsentierte sie Fotos von Details des angeblich auf irakischen Regierungsbefehl mit Sprengstoff präparierten Fahrzeugs, das George Bush während seines Kuwait-Besuchs laut US-Geheimdienst hätte töten sollen. Vom UN-Sicherheitsrat erwarteten die USA keinerlei Schritte, erklärte die Diplomatin.
Iraks UN-Botschafter Nizar Hamdun wies erwartungsgemäß jede Beteiligung seiner Regierung an den Attentatsplänen zurück. Er forderte den Sicherheitsrat auf, die USA für den aggressiven Akt zu verurteilen. Der UN-Sicherheitsrat ignorierte diese Forderung.
Der britische UN-Botschafter Hannay betonte, er halte die Entscheidung Washingtons für „richtig, angemessen und vollkommen legitim“. Zurückhaltender äußerte sich Frankreichs Botschafter Merimee, der „volles Verständnis“ aufbrachte. Französische Diplomaten legten jedoch Wert auf den Unterschied zwischen „Verständnis“ und „Unterstützung“. Moskaus Vertreter Woronzow befand die Reaktion der USA zwar als „legitim“, doch hoffe er, daß es zu „keiner weiteren Eskalation“ komme.
Der Repräsentant der ständigen blockfreien Ratsmitglieder vollzog in seiner Rede eine Wendung, die als Anspielung auf Bosnien-Herzegowina verstanden wurde: Er forderte eine „unterschiedslose Anwendung von UN-Resolutionen“, da sonst „die moralische Autorität des UN-Sicherheitsrates“ Schaden nehme. Unter den ständigen blockfreien Ratsmitgliedern ist derzeit auch Venezuela, dessen Botschaftsgebäude in Bagdad bei dem US-Angriff beschädigt wurde.
Unterdessen äußerten sich auch etliche Staaten und Organisationen im Nahen Osten zu dem unvorhergesehenen Angriff. Die Arabische Liga drückte „tiefes Bedauern“ aus und kritisierte, daß der UN-Sicherheitsrat vorher nicht konsultiert worden sei. Kuwait befürwortete den Angriff. Er sei eine „natürliche“ Reaktion auf den irakischen Terror. Sudans Außenminister verurteilte hingegen gestern die Aktion der USA ebenso wie Vertreter Libyens und des Iran. Die syrische Regierung enthielt sich bisher jeglichen Kommentars.
Der irakische Geheimdienst hat gestern in einem Schreiben an Saddam Hussein mit Vergeltungsschlägen gegen die USA gedroht. Nach Erklärungen aus den USA hat der Irak „nur defensiv“ auf den Angriff reagiert und „ziemlich spät“ Luftabwehr und Bodentruppen mobilisiert. Die Maßnahmen zum Schutz des Golfkriegs-Oberkommandierenden Schwarzkopf sind nach Angaben von CNN wegen Todesdrohungen gegen ihn verstärkt worden. N.C./K.G.
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