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Auf der Suche nach dem Täterprofil

■ Studie ergibt: Fremdenfeindliche Gewalttäter sind, bei allen Unterschieden in Lebenswegen und Motiven, fast alle jung, männlich und sehen sich als Avantgarde

Bonn (dpa) – Fremdenfeindliche Gewalttäter lassen sich nicht eindeutig charakterisieren. Sie unterscheiden sich in ihrer sozialen Herkunft und ihren Lebenswegen ebenso wie in ihren Motiven für Gewalttätigkeit, ergab eine vom Bundesfrauenministerium gestern vorgestellte Untersuchung. „Nicht gemeinsame ideologische oder politische Überzeugungen bilden die Klammer zwischen den Tätergruppen und Akteuren, sondern eher diffuse Gefühle und Vorstellungen einer generellen Bedrohung und Benachteiligung der Deutschen gegenüber ,den Ausländern‘.“

Eine Wissenschaftlergruppe untersuchte auf der Basis von 1.358 polizeilichen Ermittlungsakten und 53 Gerichtsurteilen für 148 Täter von Anfang 1991 bis Mai 1992 Ursachen der Gewalt und Eskalationsprozesse. Über 70 Prozent der Tatverdächtigen war zwischen 15 und 20 Jahre alt und fast alle waren männlich. Die große Mehrheit hatte ein niedriges bis mittleres Bildungsniveau. Arbeitslos waren 18 Prozent der Tatverdächtigen, mehr als in der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung, aber dennoch eine Minderheit in der Gruppe. Ebenfalls eine Minderheit waren diejenigen, die aus zerbrochenen Familien oder sozialen Randgruppen stammten. Nach der Analyse ist die Eskalation der Gewalt gegen Ausländer aber kein Jugendproblem allein. Eine Rolle spiele auch das gesellschaftliche Klima. Fremdenfeindliche Gruppen fühlten sich vielfach nicht mehr ausgegrenzt und stigmatisiert, sondern vermeintlich als Avantgarde einer breiteren Bewegung. Zumeist kamen die Tatverdächtigen bei Anschlägen gegen Ausländer aus derselben Stadt (70 Prozent) oder der näheren Umgebung (10 Prozent). Der Anteil reisender Krawallmacher war nach der Studie äußerst gering. Die Untersuchung unterscheidet vier Tätergruppen: Mitläufer, „Schlägertypen“, Ausländerfeinde, aus eher benachteiligten Verhältnissen stammend und Ausländer als Konkurrenten fürchtend, und Rechtsradikale, die oft einen höheren Bildungsabschluß hätten und als Agitatoren und Antreiber wirkten. Eine Schlüsselrolle weist die Studie Gruppenprozessen zu. 90 Prozent der ausgewerteten Straftaten begingen Gruppen. Geplant waren die Anschläge nur selten, sondern entstanden spontan aus einer bestimmten Stimmung heraus.

Für Bundesfrauenministerin Merkel verdeutlichen die Ergebnisse die Notwendigkeit, Angebote für Jugendliche auszubauen. Ihnen müßten „positive Gruppenidentitäten“ verschafft werden.

Kein Hinweis findet sich nach den Worten des Wissenschaftlers Helmut Willens auf einen Einfluß „antiautoritärer Erziehung“ auf die Gewaltbereitschaft. Versäumnisse im Elternhaus seien eher im Sinne einer Vernachlässigung und Verwahrlosung von Erziehung feststellbar.

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