: Wer sind die wahren Terroristen?
■ betr.: Sämtliche "Terror"aktionen der letzten Tage und Monate, insbesondere zu dem "Angriff ohne vorheriges Ultimatum", taz vom 28.6.93
betr.: Sämtliche „Terror“aktionen der letzten Tage und Monate, insbesondere zu dem „Angriff ohne vorheriges Ultimatum“, taz vom 28.6.93
Daß ein Politiker wie Bill Clinton den brutalen und heimtückischen Angriff auf das Hauptquartier der irakischen Sicherheitsdienste in Bagdad, bei dem zahlreiche schlafende Menschen in den Tod befördert wurden, damit rechtfertigt, er bekämpfe jede Art von Terrorismus, ist nichts Besonderes mehr.
Daß in Ankara und Bonn gegen die „Terroristen“ der PKK gewettert und gleichzeitig der verzweifelte Kampf der kurdischen Bevölkerung um Selbstbestimmung und inzwischen auch ums nackte Überleben zum Anlaß genommen wird, in den Bergen Kurdistans unter Einsatz deutscher Waffen Blutbäder anzurichten, wird von den Herrschenden ganz bewußt verheimlicht.
Daß zu Zeiten täglicher Verbrennungen und Ermordungen von Ausländern, Andersaussehenden und Andersdenkenden die Geiselnahme durch kurdische „Terroristen“ und die Verhaftung von mutmaßlichen RAF-„Terroristen“ in Großaufnahmen verfolgt werden, während man die Brandstifter von Hoyerswerda, Mölln, Solingen und anderer deutscher Städte als „eigentlich ganz anständige Jungs, die etwas vom Weg der guten Sitten und der Moral abgekommen sind, zu milden Strafen verurteilt, ist erschreckend.
Daß die USA gegen „Terroristen“ wie Gaddafi oder Saddam Hussein mit militärischer Gewalt zuschlagen und sich selbst als Retter der Demokratie preisgeben, gleichzeitig aber mittelamerikanische „Todesschwadronen“ mit Waffen und Geld unterstützen, ist altbekannt, wird aber von vielen noch nicht so gesehen.
Daß die Palästinenser immer noch gerne als „Terroristen“ bezeichnet werden, während sich der Staat Israel als Hüter der westlichen „Zivilisation“ und als eigentliches Opfer darstellt, ist heute kaum mehr glaubwürdig aber trotzdem immer noch in den Köpfen vieler geprägt.
Wenn eine Befreiungsorganisation Bomben auf Touristen wirft, empört sich die gesamte „anständige“ Welt, und das Wort „Terrorismus“ ist in aller Munde. Wenn aber schlafende Menschen im Irak von klammheimlich abgeworfenen US-Raketen mitten in der Nacht getötet werden, weil sich in ihrer Nähe zufällig ein Quartier des Sicherheitsdienstes befindet, so wird das von eben diesen „anständigen“ Staaten mit Verständnis aufgenommen.
Und ich frage mich: wer sind die wahren Terroristen? Sind es wirklich die, von denen man uns gerne glauben läßt, sie seien es? Kann es denn wirklich Terror sein, mit Steinen gegen Panzer oder mit einem Guerillakampf gegen den Partner einer mit ABC-Waffen aufgerüsteten Nato zu kämpfen? Welcher Terror ist gravierender: der gegen einen hochrangigen Vertreter der Wirtschaft und Politik oder der gegen die Wehrlosesten und Ärmsten der Gesellschaft? Gewiß ist hingegen, welcher Terror als solcher bezeichnet wird: nämlich der der Unterdrückten und Schwachen.
Terror von oben – „Staatsterror“ also – wird als solcher in den seltensten Fällen definiert. Es sei denn, der ihn verübende Staat gehört zu den „Bösen“ dieser Welt. Die „gute“ westliche Welt aber tut so etwas nicht. Diese Doppelmoral wird wohl nie aufhören, wenn wir nicht aufhören, ihr nachzuhängen. Rebecca Pini,
Frankfurt am Main
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