: Berliner WeiberWirtschaft in Sicht
■ Rund 40 Unternehmerinnen proben in dem ehemaligen VEB Berlin Kosmetik die Selbständigkeit
Das Weiberwirtschaftsparadies auf Erden ist momentan noch eine Baustelle. In Berlin-Mitte, wo Anfang 1994 das größte Gründerinnenzentrum Deutschlands seine Pforte öffnen wird, dominieren noch Schuttberge und Betonmischer die Szene.
Doch die Frauen der Genossenschaft „WeiberWirtschaft“, die hinter dem Projekt stehen, sind zuversichtlich, daß die erste Umbauphase pünktlich abgeschlossen werden kann. Und dann, so Monika Damm, die Sprecherin der Frauengenossenschaft, steht dem „größten Erfolg der Frauenförderung“ nichts mehr im Wege.
Auf dem ehemaligen Produktionsgelände des VEB Berlin Kosmetik, werden dann rund vierzig Unternehmerinnen ihre Werkstätten, Dienstleistungs- und Einzelhandelsunternehmen einrichten. Rechtsanwältinnenbüros, Ateliers und Handwerkerinnenbetriebe stehen ebenso auf der Bewerbungsliste wie ein Friseur und ein Dessous-Geschäft für „die starke Dame“. Aus dem zur Zeit brachliegenden Gelände soll ein lebendiges Wirtschaftszentrum von Frauen werden, inklusive Kantine, Café und Gesundheitsetage. Langfristig können so zweihundert Arbeitsplätze entstehen. „Wir wollen vor allem Eigentum in Frauenhand schaffen, das kreative Potential von Frauen fördern und ihre Wirtschaftskraft stärken“, bringt Monika Damm das Konzept auf den Punkt. Daß heute hinter jeder dritten Existenzgründung in Deutschland eine Frau steht, aber viele schon nach kurzer Zeit wieder das Handtuch werfen, ist dabei nicht unerheblich.
Um vorab existenzgründungswillige Frauen vor größeren Mißerfolgen und finanziellen Desastern zu bewahren, verlangt die Genossenschaft von jeder Bewerberin ein Finanzierungskonzept und eine Standortanalyse. „Die Frauen können sich so selbst realistisch fragen, ob sie das alles können und wollen, oder ob es nur ein unerfüllbarer Wunschtraum ist.“ Teilweise sei die Unreife der Konzepte erschreckend.
„Mehr Risikofreude, Sachkunde und Professionalität“, wünscht sich auch Sieglinde Klöpfer von ihren Mitbewerberinnen. Die 36jährige Offset-Druckerin will im Gründerinnenzentrum ihre eigene Druckerei aufbauen. „Selbstbestimmtes Arbeiten war schon immer mein Ziel.“ Seit drei Jahren hat sie ihre Pläne vorangetrieben, Vorbereitungskurse und Finanzseminare besucht. „Wenn Person und Konzept gut sind und übereinstimmen, klappt das mit dem Kapital auch“, sagt sie bestimmt. „Die Idee vom Frauengewerbehof hat mich richtig motiviert, das auch anzugehen. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Frauen und das ganze Drumherum sind doch eine paradiesische Einladung.“
Auch Marie-Luise Niehof will den Rahmen von WeiberWirtschaft nutzen, um ihren eigenen Handel mit Büromöbeln aufzuziehen. „Frauen sollten raus und was anpacken“, lacht sie selbstbewußt. Das Konzept und die Finanzierung der 45jährigen für ihren Neuanfang stehen. „Man soll realistisch an die Sache rangehen, gut planen, sich informieren und fortbilden, dann schafft man das auch. Eigentlich“, sagt sie, „kann's losgehen.“
Doch bis im Frühling die ersten Unternehmen öffnen werden, ist noch einiges zu tun. Die WeiberWirtschaft braucht vor allem Geld. 600 Genossenschaftlerinnen haben inzwischen ein Eigenkapital von weit über 300.000 DM aufgebaut. Dazu kommen Finanzhilfen des Berliner Senats und Bankkredite. Auch wenn die Finanzierung des Altbaus steht, der Kaufpreis der Fabrik betrug 12,3 Millionen DM, ist die Finanzdecke noch dünn. Die Frauen hoffen auf neue Genossenschaftlerinnen, die Anteile ab 200 DM erwerben, und private Geldgeber – durchaus auch männlichen Geschlechts. Eine neu konzipierte Werbekampagne läuft gerade an, und auch über eine Berliner Gründerinnen-Börse, auf der sich Frauen mit ihren Unternehmen vorstellen und Geldgeber informieren können, wird diskutiert.
Soviel geballte Frauenpower führt die meisten Männer an den Rand ihrer Vorstellungskraft. „Taxifahrer und andere Männer halten uns immer noch für 'ne Kneipe“, stellt Monika Damm trocken fest. Tanja Stedinger
WeiberWirtschaft e.G, Hermannstr. 229, 12049 Berlin, Tel. 6229040
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen