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Am Ende schwiegen auch die Bruddler

■ Mitgliederversammlung beim VfB Stuttgart: Viel Unmut, eine einmütige Wahl und der Name Berthold als Reizwort

Stuttgart (dpa) – Beim VfB Stuttgart hat wieder die Stunde der „Bruddler“ geschlagen. Zwar ist die schwäbische Ausgabe des „Motzki“ meist ein harmloser und humoriger Geselle, doch die Macher des VfB – allen voran Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und Manager Dieter Hoeneß – bekamen bei der Mitgliederversammlung im Großen Kursaal zu Cannstatt ordentlich ihr Fett weg. Der sportliche Mißerfolg der vergangenen Saison, die drastische Erhöhung der Dauerkartenpreise, die Transferpolitik und vor allem der Name Thomas Berthold sorgten für hitzige Diskussionen. Doch als die „Großkopfeten“ des Fußball-Bundesligisten ausreichend beschimpft waren, zeigten die 400 Mitglieder wieder Geschlossenheit: Das Präsidium wurde bei lediglich drei Gegenstimmen für weitere zwei Jahre gewählt, der Verwaltungsrat hatte nur eine Stimme gegen sich.

Etwa zur Halbzeit der viereinhalbstündigen Sitzung sang auch VfB-Trainer Christoph Daum das hohe Lied der schwäbischen Beständigkeit und bedankte sich für den Schulterschluß nach dem Lapsus von Leeds. Die folgende Ankündigung geriet ihm für den Geschmack der VfBler dann aber doch etwas zu vollmundig: „Ich verspreche erstens, daß wir im nächsten Jahr einen Platz im UEFA-Cup erreichen. Und zweitens, daß wir den DFB-Pokal als Ersatz für den internationalen Wettbewerb ansehen.“

Besonders sauer ist einigen aufgestoßen, daß der VfB mit Thomas Berthold liebäugelt. Worte wie „Absahner“ und „Gute-Nacht- Onkel“ schallten durch den Raum. Mayer-Vorfelder ließ sich davon nicht beirren: „Der Junge hat sicher eine Menge Scheiß gebaut, aber daß er ein exzellenter Fußballer ist, kann keiner bestreiten.“ Der Präsident forderte Verständnis dafür, daß sich der VfB schwertut, nach Axel Kruse und Torsten Kracht noch eine „große Hausnummer“ zu verpflichten: „Das ist alles nicht so einfach.“ Trotzdem kommentierte ein Mitglied: „Da fliegen dauernd drei Leute durch ganz Europa. Aber einen aus Frankfurt und einen aus Leipzig – das hätte man auch mit der Straßenbahn machen können.“

Immerhin gereichten die vorgetragenen Zahlen zu allgemeiner Zufriedenheit: Im Geschäftsjahr 1992 wurde ein Überschuß von 7,94 Millionen Mark erwirtschaftet. Da schwiegen sogar die „Bruddler“.

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