piwik no script img

Ohne Lebenspraxis

■ „Rotlicht-Prozeß“: War Oskar L. bei Sieglinde R.?

Noch ist die rote Laterne nicht erloschen: Im gestrigen Prozeß Oskar L. (Beruf: Ministerpräsident) gegen NDR-Panorama konnte vom Hamburger Landgericht kein abschließendes Urteil gefällt werden.

Februar 1993: Kurz vor Sendebeginn erwirkt Oskar L. eine einstweilige Verfügung gegen eine Panoramasendung. In dieser Sendung sollte ein Zeuge Aussagen darüber machen, daß L. in seiner Amtszeit als Oberbürgermeister von S. das „Rotlichtmilieu“ vor Polizeieinsätzen gewarnt habe. Zudem sei trotz dieser Aussage, die der Zeuge zuvor bereits 1985 bei einer Festnahme machte, kein Ermittlungsverfahren gegen L. eingeleitet worden. Der NDR legte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein. Gestern nun die Hauptverhandlung.

„Ich kenne den L. gar nicht persönlich, kann also über Razzia oder so gar nichts sagen“, antwortete Sieglinde R. auf die Frage des Ersten Vorsitzenden Richters, Harald F., ob sie denn nun Tips über geplante Polizeieinsätze von L. bekommen habe. Sieglinde R. betrieb damals ein Hotel in S., das in dem Ruf stand, auch Prostituierte zu beherbergen. Doch auch das bestreitet die Zeugin: „Über meinem Hotel haben nur drei Mädchen gewohnt, ist das dann gleich ein Bordell?“ fragte sie aufgeregt den Richter. Harald F. antwortete: „Uns fehlen wohl die praktischen Kenntnisse des Lebens.“

Gerd B. ist der zweite Zeuge und zugleich auch derjenige, auf den sich die Panoramasendung stützt: „Ich habe damals eine Scheinfirma betrieben, handelte mit Diebesgut. Eines Tages sagte Sieglinde zu mir, daß der Oskar angerufen habe und daß bei mir eine Razzia geplant sei. Einen Tag später kam die Polizei tatsächlich.“

Der Tip, daß Gerd B. ein Hehler sei, kam jedoch von Sieglinde R., die die Polizei anrief. Wollte Frau R. erst durch ihren Tip Beziehungen zur Polizei aufbauen? Zumindest diese Aussage steht noch im Raum: Gerd B. behauptet, Oskar L. im Schlafzimmer von Sieglinde R. gesehen zu haben. Fortsetzung am 24. September. Andrew Ruch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen