Weihnachtspost vom Bürgermeister

■ Bürgermeister von Kreuzberg will Kampagne zur Einbürgerung von ImmigrantInnen starten / Türkische Gemeinde kritisiert Heckelmann scharf: Kein Interesse an Aufklärung von rassistischen Straftaten

Zu Weihnachten werden die 50.000 Ausländer Kreuzbergs Post von ihrem Bürgermeister erhalten. Peter Strieder (SPD) wird ihnen in einem Brief mitteilen, daß sie sich, da sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, überlegen sollten, die gesetzlichen Möglichkeiten der Einbürgerung zu nutzen. Mit dieser Aufforderung werden die ausländischen Kreuzberger zugleich die nötigen Formulare erhalten, um einen entsprechenden Antrag stellen zu können.

Von dieser flächendeckenden Ansprache durch die oberste Amtsperson des Bezirks verspricht sich Strieder eine Verdoppelung der Einbürgerungszahl. Diese liegt bislang bei durchschnittlich tausend pro Jahr, obgleich die Voraussetzungen für einen solchen Schritt bei gut der Hälfte der Ausländer gegeben ist. 22 Prozent der in Kreuzberg lebenden Immigranten und Immigrantinnen sind in Deutschland geboren, 65 Prozent von ihnen leben bereits länger als fünf Jahre in der Stadt. Einen Anspruch auf Einbürgerung erwirbt man nach 15 Jahren Aufenthalt in Deutschland.

Strieder hat diesen „Schritt zur Integration“ bereits mit dem „Bund der Einwanderer/-innen aus der Türkei in Berlin-Brandenburg“ abgesprochen. Unterstützung kommt auch vom türkischen Generalkonsul, der seinen Landsleuten mit rechtlichem Rat zur Seite stehen will. Denn den Einbürgerungswilligen können auch Schwierigkeiten erwachsen. So können sie unter Umständen einen Erbanspruch in ihrem Heimatland verlieren, Jugendlichen droht ein doppelter Wehrdienst.

Bei der Innenverwaltung stößt Strieders Initiative auf volle Unterstützung. Der Innensenator, so erklärte gestern dessen Sprecher Norbert Schmidt, halte es schon immer für den richtigen Weg, daß diejenigen, die sich hier heimisch fühlen, auch einbürgern lassen. Der Bürgermeister hofft, daß sich soviel Wohlwollen auch in handfeste Unterstützung umsetzt. Denn wenn die Kampagne ein Erfolg wird, werden die vier Mitarbeiter, die beim Kreuzberger Standesamt die Einbürgerungen vornehmen, kaum ausreichen, um den Ansturm zu bewältigen. Bei der Bewilligung weiterer Stellen wäre der Innensenator ebenso gefragt wie bei der Vereinfachung der Antragsformulare.

Dieser sieht sich zur Zeit heftiger Kritik der Türkischen Gemeinde ausgesetzt. Deren Präsident Turgut Cakmakoglu hielt Heckelmann nach einem gemeinsamen Gespräch vor, an einer offensiven Aufklärung von möglichen Opfern und Zeugen rassistischer Gewalt kein Interesse zu haben. Auch ginge dem Innensenator ein regelmäßiger Bericht der Berliner Polizei über rassistische Vorfälle in Berlin, wie ihn die Türkische Gemeinde fordert, zu weit. Diese Art der Information über rassistische Straftaten halte Heckelmann für integrationsfeindlich. Einem hauptamtlichen Ausländerbeauftragten bei der Polizei könne Heckelmann nichts abgewinnen, da er befürchte, daß sich die Polizei dann dessen Kontrolle unterwerfen müsse.

Heckelmanns Sprecher Schmidt war gestern über diese öffentlichen Vorwürfe erstaunt. Diese Darstellung würde den Verlauf des gemeinsamen Gesprächs nicht wiedergeben. Er erklärte sich die Diskrepanz der Wahrnehmung damit, daß die Verfasserin der Erklärung, Cakmakoglus Sprecherin Elke Bieber, an dem Treffen gar nicht beteiligt war. Cakmakoglu widersprach gegenüber der taz dieser Interpretation: Seine Kritik habe volle Gültigkeit. dr