: Kein Klo, keine Dusche, kein warmes Essen
■ Seit einer Woche hat das Drobs-Cafe in der Bauernstraße zu / 150 Junkies gucken in die Röhre / „Erzieherische Maßnahme“
Still ist es an diesem Morgen auf dem Hinterhof neben dem Ortsamt Mitte. Eine Frau liegt zusammengekrümmt am Boden, das Feuerzeug umklammert. Eine andere starrt auf die Sonnenflecke auf dem rissigen Betonboden. Bis gestern habe sie in einem Keller genächtigt, sagt sie, vorhin hätten „die Bullen“ sie vertrieben. Sieben Drogenabhängige setzen sich auf dem Hof gerade ihren morgendlichen Schuß, drei weitere holen sich Spritzen aus dem Automaten vor dem Ortsamt.
„Ich wohn' zwar auf der Jola, aber da mußt Du ja tagsüber raus“, sagt ein Junkie, der seine Heroinbrösel auf dem Deckel einer Bierdose kocht. Zwei Meter neben ihm lehnen Besen, Kehrschaufel und Müllsack an der Wand, von Leuten aus dem Vorderhaus gestellt. Gelegentlich kehrt einer der Junkies Kippen, Spritzenhüllen und Bierdosen zusammen.
Fast 300 Drogenabhängige zählt die sogenannte offene Szene im Viertel. Manche haben noch eine Wohnung, treffen sich aber tagsüber am „Gifteck“ am Sielwall. In städtischen Einrichtungen (Wohnschiff Jola am Weserbahnhof, Container in Oberneuland und Föhrenstraße) wohnen etwa 60 Junkies. Nach Angaben von Drobs-MitarbeiterInnen sind mindestens 100 obdachlos.
Zwei Polizeibeamte biegen um die Ecke, die Mützen in der Hand. „Zieht Ihr noch auf oder seid Ihr fertig?“, fragt Uwe Deters vom 3. Revier. „Mann, nicht mal zehn Minuten laßt Ihr uns in Ruhe“, nölt ein Junkie. Na gut, meinen die Beamten, kommen wir später nochmal. Seit etwa zwei Wochen kommen sie mehrmals am Tag hier vorbei. Neben der Kontrolle der Szene schauen die Beamtenauch nach, ob hier jemand vom Druck bewußtlos ist. „Komatöses Verhalten, kalter Schweiß, das sieht man sofort“, sagt Deters.
Nach dem Spritzen torkeln die Drogenabhängigen zur Sielwallkreuzung weiter, zum Rembertikreisel oder zur Drobs, der Drogenberatungsstelle in der Bauernstraße. Dort konnten sie bislang zwischen 12 und 15 Uhr im Cafe verschnaufen, waren auf jeden Fall ein paar Stunden vor Vertreibung sicher. Doch seit einer Woche ist das Cafe geschlossen — für insgesamt fünf Wochen. Für die täglich rund 150 BesucherInnen des Cafes heißt das: Kein Kaffee, kein Klo, kein Wäschewaschen, kein Duschen, keine Spenden aus der Kleiderkammer, kein Mittagessen für zweifuffzig. Dusche und Kleiderkammer werden nur noch geöffnet, wenn jemand extrem verdreckt ist. Nicht geschlossen wurden dagegen die medizinische Betreuung und die soziale Beratung mit Spritzentausch und Postvergabe.
Eine Schließung nicht wegen Personalmangels, sondern als Erziehungsmaßnahme für die Junkies. Die Situation auf der Straße sei in den letzten Wochen eskaliert, sagt Sozialarbeiter Frank Böttcher (siehe taz vom 28.6.). Die Drogenabhängigen hätten vor der Tür gedrückt und gedealt, Angehörige trauten sich, so Böttcher, nicht mehr rein, manchmal kam die Post nicht durch. Außerdem hätten einige Junkies die Vorgärten als Toiletten benutzt.
In Abstimmung mit der Sozialbehörde will man mit der Schließung des Cafes den Junkies ein Signal setzen, daß gewisse Regeln eingehalten werden müßten. Ein weiterer Zweck der Repression: Jene Junkies, die noch eine Wohnung haben oder substituiert sind, an die regionalen Beratungsstellen in Bremen Ost, West und Nord loswerden. Dort aber gibt es noch nicht mal ein Cafe. Rund 30 Prozent der BesucherInnen gehören zu dieser Gruppe. Auswärtige machen nach den Zählungen der Drobs höchstens 10 Prozent aus.
Damit das „erzieherische Signal“ auch wirkt, hat die Polizei eine Woche lang eine „Wanne“ mit fünf Beamten an der Ecke Bauernstraße/Ostertorsteinweg aufgestellt. Eben wankt ein bleicher Mann mit verbundenem Arm aus der Drobs und zwischen den Beamten hindurch auf den Ostertorsteinweg: Ihm hat der Arzt einen Abszeß gespalten. Nur wer auf eine Beratung oder Behandlung vor der Drobs wartet, wird nicht des Platzes verwiesen.
Die Vertreibung scheint ruhig vonstatten zu gehen: „Die Drogenabhängigen sind willig, die leisten eigentlich nie Widerstand“, berichtet ein Beamter, „die kennen das schon“. Außerdem habe man bewußt ältere Beamte für diese „Aktionswoche“ ausgesucht. Effekt der Vertreibung: Die Junkies drücken sich jetzt in den anderen Straßen herum. Nebeneffekt der Cafeschließung: Zur medizinischen Behandlung in der Drobs kommen erkennbar weniger Junkies. Das Cafe hatte den beiden Ärzten Gelegenheit geboten, Junkies direkt anzusprechen und ihnen medizinsiche Hilfe anzubieten.
Wenige Schritte weiter auf dem Ostertorsteinweg hockt eine 26jährige auf einem Mülleimer, stiert auf den fließenden Verkehr. „Scheiße“ findet sie die Cafe-Schließung. „Gebraucht hat die Drobs jeder.“ Nicht zuletzt wegen der Toiletten. Das einzige öffentliche Klo in der Gegend ist jetzt die 50-Pfennig-Kabine auf dem Osterdeich, die ist aber oft kaputt. Bleiben nur die Büsche, sagt die Frau.
Auch den Hinterhof am Dobben, der wichtigeste Druckraum für viele, seit immer mehr Grünflächen im Viertel umzäunt wurden, wird es bald nicht mehr geben: Ende Juli wird ein Zaun gezogen. Stadtwerke-Mitarbeiter, die nebendran ein kleines Umspannwerk haben, sollen sich belästigt fühlen von den Junkies. Lautstarke Streitereien haben auch den Anwälten im Vorderhaus gelegentlich das Arbeiten unmöglich gemacht. „Dann müssen wir wieder in den Hauseingängen drücken, das wird den Leuten auch nicht passen“, sagt eine Drogenabhängige. Christine Holch
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