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Außer Häkchen nichts gewesen

■ Hälfte der Arbeitslosen muß einmal monatlich beim Arbeitsamt zum Appell antreten

Diese obskure Objekt der BegierdeF:Heddinga

Immer wieder schaut Horst K. auf den Brief vom Arbeitsamt: „Ich möchte mit Ihnen über Ihr Bewerberangebot beziehungsweise Ihre berufliche Situation sprechen.“ Dazu der Hinweis, daß ihm das Arbeitslosengeld für zwei Wochen gestrichen wird,

falls er nicht kommt. Der Polier Horst K. wundert sich, war er doch erst vor einer Woche auf dem Arbeitsamt. „Der Arbeitsmarkt ist ratzekahl“, hatte ihm der Berater gesagt. Endlich ist Horst K. an der Reihe: „Schön, daß Sie gekommen sind“, wird er begrüßt, „dann können Sie ja gleich wieder gehen, ich hab' nämlich nichts für Sie“. Bevor der Polier den Berater beschimpfen kann, nimmt ihm der den Wind aus den Segeln: „Ich halte das Ganze ja auch für völlig idiotisch.“

Seit Ende Februar müssen die Arbeitsämter jeden Monat die Hälfte der Arbeitslosen, in Bremen also 12.500 Menschen, vorladen. Mit der Meldekontrolle soll festgestellt werden, ob jemand wirklich jederzeit für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht oder gar schwarz arbeitet. Besonders gern werden deshalb Menschen aus dem Bau-, dem Gaststätten-, dem Reinigungs-und Hotelgewerbe eingeladen. Aber auch AkademikerInnen — gibt es doch in diesem Bereich viele Honorarverträge.

Mittlerweile sind beide Seiten ziemlich genervt. Die ArbeitsberaterInnen sehen als ihre Aufgabe die Arbeitsvermittlung, nicht die Gängelei. Außerdem haben sie dadurch bis zu 40 Prozent mehr Arbeit — meist „freiwillige“ Überstunden. Konsequenz: die Kontakte mit Arbeitgebern kommen zu kurz.

„Die sollen aufhören mit dem Blödsinn“, findet auch Martin Lühr, Jurist und Sozialberater beim Arbeitslosenzentrum in der Grenzstraße. „Die brauchen die Meldekontrolle doch nur, um die Arbeitslosen einzuschüchtern.“ Die Meldekontrolle sei gänzlich ungeeignet, Schwarzarbeitende zu erwischen — „ein Schwarzarbeiter nimmt sich dann eben mal eine oder zweiStunden frei für den Termin“.

Lühr rät den Arbeitslosen, Widerspruch gegen die Einladungen einzulegen, denn die bloße Meldekontrolle sei bislang gesetzlich gar nicht gedeckt: Nach der geltenden Meldeanordnung nämlich können Arbeitslose nur zu bestimmten Zwecken wie der Vermittlung vorgeladen werden, nicht aber zur bloßen Anwesenheitskontrolle mit „Häkchen-machen“. Eine Anwesenheitskontrolle dagegen sei nur bei konkretem Verdacht auf Schwarzarbeit zulässig. Zehn Arbeitslose haben bisher Widerspruch eingelegt.

Als Erfolg will Wilfried Lüschen vom Bremer Arbeitsamt die Meldekontrollen nicht gerade bezeichnen. Eine nennenswerte Meldung von Nebentätigkeiten gebe es nicht. Acht Prozent der Geladenen kamen nicht zu den Terminen. Sie wurden mit Säumnissperren belegt.

Damit sich die BeraterInnen nicht den Mund fusselig reden, wird mittlerweile ein Teil der Meldepflichtigen in ganzen Gruppen eingeladen. Persönliche Beratung ist da nicht mehr drin. Stattdessen gibt es „Aufklärung über die Rechte und Pflichten“ Arbeitsloser. Zum Beispiel darüber, daß man sich eigentlich für jeden Tag Abwesenheit abmelden muß oder daß man drei Wochen Urlaub im Jahr hat. Neu ist die Frage an immer mehr Arbeitslose, was sie denn selbst tun für eine Beendigung ihrer Arbeitslosigkeit.

„Weil sie nichts anzubieten haben, geben die jetzt den Schwarzen Peter an die Arbeitslosen weiter“, sagt Martin Lühr. Nach dem Motto: „Sie sind schon ein Jahr arbeitslos, wollen Sie nicht vielleicht umziehen?“ cis

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