: Nachschlag
■ Von der Kunst, ein Theater abzuwickeln – Ein Bericht
Skandale kann man provozieren, SKandale kann man beschließen – Skandale kann man auch aussitzen. Das Ensemble des Schiller Theaters, das am Sonntag abend seine letzte offizielle Vorstellung vor einem überfüllten Parkett gab, darf noch bis zum 31. Juli seine Spielstätte nutzen. Das erklärte am Tag der amtlichen Spielzeitpause Wolfgang Abramowski, persönlicher Referent des Kultursenators.
Die Kulturbehörde erspart sich also die demonstrative Räumung der aufmüpfigen Schauspieler, vermeidet also das Bild einer verängstigten Katharina Thalbach – von zwei kulturlosen Schergen der kulturlosen Exekutive aus dem Haus getragen. „Wir warten ab, bis die Spielzeit wirklich zu Ende ist“, erklärte Abramowski am Montag gegenüber der Presse. Erst wenn der Spielbetrieb des Hauses am 1. August fortgeführt werden wird, ergehen weitere Weisungen an den Intendanten, das Haus zu verlassen. Dann erst werden die Verbliebenen haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn ein Bühnenarbeiter von der Leiter fällt oder eine Zigarettenkippe die Bestuhlung des Parketts ansengt.
Wer nun glaubt, diese Kunde sei ein Anzeichen, daß der Senat weich werden könnte, irrt sich aller Wahrscheinlichkeit nach. Man sollte in diesen Tagen nicht vergessen, daß der Kultursenator ein gelernter Jurist ist – er weiß, warum er Volkmar Claußens Intendantenvertrag erst nach der Haushaltssitzung unterschreiben wollte, und er weiß auch, warum er sich jetzt sorgsam an die verwaltungstechnischen Fristen hält. Das Landesverfassungsgericht hat in der Sache „Schiller Theater“ noch nicht entschieden, wiewohl man in der Kulturverwaltung immer noch guten Mutes ist, die anhängige Klage zu gewinnen. Bis allerdings der Countdown der Schließung endgültig ausgezählt ist, haben die Besetzer an der Bismarckstraße noch harte Zeiten vor sich. Die prominenten Schauspieler haben in der Regel in ihren Theaterferien Filmverträge, die es zu erfüllen gilt. Die Solidaritätsmassen bröckelten schon am Sonntag abend sichtbar ab. Am Ende kann der Senat den Widerstand der Bildungsbürger mit den Schulferien brechen.
Derweil rumort es im Schiller Theater hinter den Kulissen. Statt mit den jungen desorientierten Menschen solidarisch den Montag morgen abzuwarten, tagte die Belegschaft nach der Abschlußvorstellung hinter verschlossenen Türen. Der designierte Künstlerische Leiter Gerhard Ahrens hat seit dieser Nacht ein neues Gremium an seiner Seite: Katharina Thalbach, Fred Berndt, Hilmar Thate und Katja Paryla sowie die Leiterin des Betriebsbüros, Katrin Nikel, sollen aus der „Ein-Mann-Leitung“ ein Team machen. Diese versteckte Revolte der Basis gegen ihre schon lange überforderte Leitung, dieser Schulterschluß der Beschäftigten, der auch an eine finanzielle Solidaritätsabgabe der besserverdienenden Ensemblemitglieder gekoppelt ist, war längst überfällig. Leider kommt er reichlich spät. Vielleicht zu spät. Klaudia Brunst
Heute um 20 Uhr im Schiller Theater: Manfred Tauchen liest Karl Kraus „Die letzten Tage der Menschheit“.
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