piwik no script img

Berliner CSD-Delegation wurde abgeschoben

■ Die Verhaftungen in Istanbul erfolgten ohne jede Rechtsgrundlage

Die 28köpfige Delegation aus Berlin, die zum ersten türkischen Christopher Street Day in Istanbul aufgebrochen war, ist wieder in Berlin. Sie berichtete gestern über ihre Verhaftung und Abschiebung. Die Gruppe aus Vertretern der Schwulen Internationale Berlin (SIB), VertreterInnen von Bündnis 90/Grünen, der PDS sowie des TU-Lesbenreferates war am Freitag nach Istanbul geflogen, obwohl die türkische Regierung den Hauptpunkt des Programms, den Kongreß, verboten hatte. Einzig die Pressekonferenz, die nach türkischem Recht nicht zu verbieten war, sollte stattfinden.

Auf dem Weg dorthin wurde ein Großteil der Gruppe verhaftet. „Wir wurden ohne Vorlage eines Haftbefehls und unter Anwendung von Gewalt verhaftet“, berichtet Beate Kluge vom Lesbenreferat. Auf dem Polizeirevier sei ihnen verweigert worden, mit dem deutschen Konsulat oder einem Rechtsanwalt Kontakt aufzunehmen. Durch gemeinsamen Widerstand hätten sie sich einer Einzelleibesvisitation und einem Zwangsaidstest entziehen können.

Der Rest der Gruppe, der an der Pressekonferenz gar nicht teilnehmen wollte, hatte den Vormittag bummelnd in der Stadt verbracht. „Als wir ins Hotel kamen, wurden wir sofort von Polizisten umzingelt, mußten unsere Koffer packen und trafen die anderen im Revier“, so einer der Teilnehmer. Auch seine Beteuerungen, er wolle seine Eltern in der Südosttürkei besuchen und habe einen vierwöchigen Urlaub gebucht, hätten nicht gefruchtet. Den ganzen Tag über seien sie dann ohne Wasser und Lebensmittel in einem viel zu engen, nicht klimatisierten Bus festgehalten worden.

Anette Detering (Bündnis 90/ Grüne) war der Verhaftung entgangen, da sie auf dem Weg zur Pressekonferenz das hohe Polizeiaufgebot in den Straßen bemerkt hatte. Sie habe daraufhin einen Rechtsanwalt sowie das deutsche Konsulat in Istanbul eingeschaltet. Der Konsul habe allerdings zu verstehen gegeben, daß er angesichts der gespannten Beziehungen zwischen den Regierungen nicht viel tun könne, so Detering. Ihr sei immerhin ein Wagen für die Fahrt zum Flughafen gestellt worden, wohin der Rest der Gruppe schon gebracht worden sei. Gegen Abend wurde die Gruppe dann in ein Flugzeug nach Köln gesetzt. Als sie nachts um zwei landeten, mußten sie sogar, so Detering weiter, den Flug nach Berlin aus eigener Tasche zahlen.

Der Vorsitzende der SIB, Selman Arikboga, will die Regierung in Ankara jetzt auf Schadenersatz verklagen, da auch türkische Staatsbürger ohne Rechtsgrundlage nach Deutschland abgeschoben worden sein. cor

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen