: Der Lotse bleibt an Bord
■ Bremer Fluglotsen wollen Wechsel vom Beamten zum Privat-Angestellten mitmachen
Der Lotse bleibt an Bord
Bremer Fluglotsen wollen Wechsel vom Beamten zum Privat-Angestellten mitmachen
Die Ampeln im Luftverkehr, in Arbeitshaltung, extra für den Fotografen: Tristan Vankann
Unter dem Bundesadler am Eingang zum Bremer Flughafengelände klafft eine Lücke. Es fehlt das Schild „Bundesanstalt für Flugsicherung“. Gleich daneben hängt der Nachfolger: „DFS- Deutsche Flugsicherung“. Seit 1.Januar sind die Fluglotsen und Techniker, die den Verkehr im deutschen Himmel regeln, nicht mehr bei einer Bundesbehörde angestellt. An ihrer Arbeit hat sich nichts geändert — nur effektiver und leichter soll die Flugsicherung durch die Privatisierung werden, hoffen die neuen Herren im Tower.
Dieter Horst Hamm, Pressesprecher der DFS, lotst uns in die Zentrale der Flugsicherung. In einem turnhallengroßen Saal sitzen auf der rechten Seite etwa 20 Luftwaffenlotsen. Alle tragen ordentlich gebügelte blaugraue Uniformen und sitzen im Dunk
hier das foto
von den Fluglotsen
vor den Monitoren
len über ihren Leuchtschirmen. Links dagegen ist es hell, die etwa 40 Beschäftigten tragen Jeans und T-Shirts. Auch sie blicken auf ihre Schirme, wo sich auf grünem Hintergrund gelb blinkende Symbole über einer Karte aus Linien bewegen. Ab und zu murmeln sie Anweisungen an die Flugzeugcrews durch ihre Mikrofone. Verkehrssprache ist ein Fliegerenglisch, bei dem sich jedem Anglisten die Haare sträuben.
Ein Kollege lümmelt sich im Stuhl, eine leere Kaffeetasse steht auf der Konsole. Das sind die Bilder, die Hamm nicht in der Zeitung sehen will: „Dann denken alle gleich wieder, hier geht es zu wie in einer Behörde. Man kann von der Sitzposition nicht auf die Arbeitshaltung schließen.“ Überhaupt, eine Behördenmentalität hätte es bei den Fluglotsen nie ge
geben, sagt Hamm. „Als Lotse kann man nicht pünktlich Feierabend machen oder erst mal den Chef fragen gehen.“
Den Beamtenstatus haben sie sich allerdings mit einem Streik in den siebziger Jahren selbst eingebrockt, denn danach war das Streikrecht passé. Nach der Umwandlung sind nun wieder Streiks im innerdeutschen Flugverkehr möglich.
Zum 1. August sollen die noch-Beamten zu Angestellte werden, richtig mit Tarifvertrag und Gewerkschaft. Ende des Jahres ziehen auch die Militärlotsen die Uniform aus, weil der militärische und zivile Luftraum zusammengelegt werden. Der zivile Verkehr vermehrt sich jedes Jahr um fünf Prozent. Vor allem die Flüge in Ost-West-Richtung sind mit der Öffnung der Grenzen gestiegen. Und auch wenn die DSF den Umweltschutz zum Unternehmensziel gemacht hat („möglichst direkte Flugrouten und wenig Warteschleifen“), plädiert man doch für den Ausbau des Flughafens Bremen: „Wir können uns von der Verkehrsentwicklung nicht abkoppeln.“
„Flugsicherung ist wie ein Pilz: was man oben sieht, ist nur ein bißchen, das meiste ist unsichtbar“, meint Hamm.
Im Bremer Tower sitzen an diesem Vormittag nur zwei Lotsen. Nur die Starts und Landungen werden von hier oben dirigiert. Das Gehirn der Flugsicherung sitzt ein paar Stock tiefer, in dem fast fensterlosen Raum der Lotsen. Aus dem Fenster schauen die sowieso nicht, denn bis Kassel, Helmstedt oder Flensburg können sie ohnehin nicht gucken. Dieser ganze Himmel wird von Bremen überwacht.
Privatisierung heißt für die DFS auch Dezentralisierung. „Statt wie bisher eine zentrale Lenkung haben wir jetzt fünf eigenständige Gesellschaften“, sagt Ulrich Platen, Leiter der Region Nord. Ihr Geld bekommt die DFS nicht mehr aus dem Bundeshaushalt, sondern aus Gebühren für die „Leistung Sicherheit“ von den Fluggesellschaften.
Platen hofft auf größere Flexibilität beim Kauf neuer Techniken, Einstellung neuer Mitarbeiter und eine „corporate identity“. Profit machen darf die DFS allerdings nicht. Die Gesellschaft mit bundesweit 5.000 Mitabeitern und einem Umsatz von 1,2 Milliarden ist im Besitz des Bundes. Als hoheitliche Aufgabe, wie das Grundgesetz die Flugsicherung definierte, verstehen die Lotsen ihre Arbeit nicht mehr: „Wir sind die Ampel im Luftverkehr, nicht der Polizist.“
Bernhard Pötter
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