: Drei Tote nach nächtlicher Schießerei
■ Polizei vermutet Auseinandersetzung im kriminellen Milieu / Identität der Toten ungeklärt, vermutlich Türken
Bei einer spektakulären Schießerei im Bezirk Friedrichshain sind in der Nacht von Montag auf Dienstag drei Männer getötet worden. Die Identität der Erschossenen steht nach Angaben der ermittelnden 6. Mordkommission noch nicht fest. Mit einer „an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei den Toten aber um Türken“, hieß es. Möglich sei, daß sich unter den Opfern auch der Täter befand, hieß es in einer Presseerklärung der Polizei gestern abend.
Politische Motive, wie PKK- Streitigkeiten oder eine Auseinandersetzung zwischen Kurden und Türken, schließt die Mordkommission aus, die Hintergründe seien vielmehr im „kriminellen Bereich“ zu suchen. Wichtiges Indiz dafür: Die Polizei fand 500 Gramm eines weißen Pulvers, vermutlich Heroin. Bestätigt sich diese Vermutung, dann ist es die brutalste Auseinandersetzung im Bereich der organisierten Kriminalität seit langem. Die Polizei konnte nicht sagen, wann es bei einem Rauschgiftkrieg zum letztenmal drei Tote auf einmal gegeben hat.
Nach den bisherigen Ermittlungen fand die Schießerei gegen 0.20 Uhr in der Boxhagener Straße 58, nahe Bahnhof Ostkreuz statt. Ein Getroffener konnte sich bis auf die Straße schleppen und starb dort. Zwei weitere Schwerverletzte fand die Polizei vor einer Wohnungstür im dritten Stock des Hinterhauses. Beide starben wenig später. Sichergestellt wurden neben „jeder Menge Munition“ zwei Revolver, zwei Pistolen und eine Schrotflinte. Unklar ist bisher ebenfalls, ob sich darunter die Tatwaffen befinden. Etwa zehn Schüsse sollen gefallen sein. Auf die Frage der taz, ob die Mordkommission eine Nachrichtensperre verhängt habe, antwortete eine Beamtin, „daß die Schießerei uns genauso geheimnisvoll ist wie Ihnen“.
Auch 15 Stunden nach der tödlichen Auseinandersetzung waren die Spuren in diesem grauen Mietshaus der zwanziger Jahre noch deutlich zu sehen. Von der Straße durch den Hof bis in das dritte Stockwerk des Hinterhauses hinauf zog sich eine immer breiter werdende Blutspur. „Das wegzumachen ist mir zu eklig“, sagte eine Anwohnerin zur taz. Wer als letzter in dieser Wohnung gelebt hat, wollte keiner der direkten Nachbarn gewußt haben, ein Mieter aus der Türkei nicht einmal, daß es in der Nacht Tote gegeben hat. An der Wohnungstür hängt ein Namensschild aus Papier. Der Name klingt nicht türkisch. An der – jetzt versiegelten – Tür waren drei große Schußlöcher zu sehen. Ob zuerst in die Wohnung hinein und dann aus aus der Wohnung heraus geschossen wurde oder umgekehrt, konnte die Polizei nicht sagen. Durch einen Spalt in der verrotteten Eingangstür sah man Leitern und Eimer mit Farbe in der Wohnung herumstehen.
Zwei alte Damen in der Parterrewohnung hatten in der Nacht zwei dieser vielen Schüsse gehört. „Wir haben sofort die Decken über die Ohren gezogen“, sagten sie, und „was soll man anders machen, wenn man kein Telefon hat“. Jetzt haben sie, genau wie alle anderen Bewohner des vierstöckigen Hauses, die Klingel abgestellt. „Das ist hier eben der wilde Osten“, beendeten sie das Gespräch. Anita Kugler
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