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Nigerias Junta übt die Flucht nach vorn

■ Inmitten von Massenprotesten gegen die Annullierung der Präsidentschaftswahlen durch das Militärregime rückt Präsident Babangida von Neuwahlen ab / "Regierung der Nationalen Einheit"?

Berlin/Lagos (taz/AFP) – Nigerias Militärjunta ist auf dem besten Weg dazu, ihre Macht zu verewigen. Präsident Ibrahim Babangida bot den beiden politischen Parteien gestern an, er werde auf eine Neuauflage der annullierten Präsidentschaftswahlen verzichten, falls die Parteien in eine „Regierung der Nationalen Einheit“ einträten. Es war eine klug gewählte Reaktion auf den Beginn der größten Massenproteste, die Nigeria in den letzten zehn Jahren Militärherrschaft erlebt hat.

Am Montag waren Zehntausende von Demonstranten dem Aufruf des Oppositionsbündnisses „Kampagne für Demokratie“ (CD) gefolgt und durch die Straßen der Millionenstadt Lagos gezogen. Nach einem Aufmarsch vor dem Haus des inoffiziellen Siegers der annullierten Wahlen, Moshood Abiola, riegelten Jugendliche die Straßen ab und zündeten Autos an. Die Polizei hielt sich zurück. Während Abiola die Demonstranten vor seinem Haus zur Zurückhaltung aufrief, hielten manche Polizeibeamte Abiola-Wahlplakate als Zeichen der Solidarität hoch. Gegen Abend kam es zu Plünderungen. Die Proteste sollen die Regierung zur Anerkennung der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni zwingen. Die Wahl, bei der inoffiziellen Ergebnissen zufolge Abiola als Kandidat der „Sozialdemokratischen Partei“ (SDP) gewonnen hatte, wurde am 23. Juni von der Regierung annulliert.

Die Initiative Babangidas hat die Lage nicht entspannt. Gestern bahnte sich eine Wiederholung des Montags an: Demonstranten blockierten die Hauptverkehrsstraßen und legten die Wirtschaftsmetropole Lagos erneut lahm. Inwieweit die im CD-Dachverband organisierten Menschenrechtsgruppen die Kontrolle über die zumeist aus dem Reihen der Slumbevölkerung stammenden Demonstranten haben, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Der CD-Aufruf sieht vor, daß die Protestaktionen die ganze Woche weitergehen.

Der SDP-Vorsitzende erklärte gestern nach einem Treffen mit Staatschef Babangida, die SDP wolle sich nach einer „Reflexionsphase“ am Freitag zu Babangidas Vorschlag eines Regierungseintritts äußern. Beobachter schätzen, daß die SDP, die bisher immer die Anerkennung von Abiolas Wahlsieg forderte, den Vorschlag annehmen wird. Damit würde sie vermeiden, daß die Regierung – wie zuletzt angedroht – am 31. Juli neue Wahlen im Schnelldurchlauf organisiert, was nach Meinung der Parteien eine vernünftige Kandidatenauswahl und einen fairen Wahlkampf verunmöglichen würde. Babangida hat sich mehrmals vergeblich mit der SDP-Führung getroffen, um diese zu überreden, einen Kandidaten für solch einen Wahlgang aufzustellen.

Sollte die SDP und die am 12. Juni unterlegene „Nationale Republikanische Konvention“ (NRC) – die die Annullierung der Wahl begrüßt hatte – dem Eintritt in eine „Regierung der Nationalen Einheit“ zustimmen, wäre die Gefahr einer Wahlfarce am 31. Juli zwar gebannt. Doch wäre die politische Zukunft Nigerias kurzfristig im Sinne der herrschenden Junta geklärt: Das Militär bleibt an der Macht, SDP und NRC regieren mit, und die versprochene feierliche Machtübergabe an einen zivilen Staatschef am 27. August verkommt zum formalen Akt des Ämtertausches innerhalb dieser großen Koalition. D.J.

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