: Vorsicht vor dem freundlichen KOB
■ Kontaktbereichsbeamte sorgen für Abmeldung von Mietern / Dienstaufsichtsbeschwerde wurde abgelehnt
Als Hans K. (Name von der Redaktion geändert) im Frühjahr dieses Jahres beim Bezirksamt Neukölln seine Lohnsteuerkarte beantragen wollte, erlebte er eine Überraschung: Da er nicht mehr gemeldet sei, könne ihm die Karte auch nicht ausgestellt werden. Bei der Nachfrage in der zuständigen Meldestelle 55 fiel K. schließlich aus allen Wolken. Ein Kontaktbereichsbeamter der Polizei (KOB), so die Behörde, hatte im Sommer 1992 in seiner Wohnung in der Weisestraße angerufen und von einer dort anwesenden Frau erfahren, daß K. sich schon lange nicht mehr in Berlin aufhalte. Die vom KOB informierte Meldestelle 55 schritt daraufhin zur Tat – K.s Daten wurden gelöscht.
Rechtsanwältin Kathrin Sachsenberg, die von K. mit der Sache betraut wurde, legte gegen die Vorgehensweise des Beamten und der Meldebehörde eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Ohne Erfolg. Sowohl die zuständige Polizeidirektion 5 in der Friesenstraße als auch die Senatsverwaltung für Inneres wiesen das Anliegen zurück.
In dem Antwortschreiben der Polizeidirektion vom 25. Mai an die Rechtsanwältin heißt es, die Bewohner des Neuköllner Hauses (das in früheren Zeiten besetzt war) hätten sich – „wie auch in der Vergangenheit“ – wenig kooperativ gegenüber „polizeilichen Anliegen“ gezeigt. Weil es dem Mitarbeiter nicht gelungen sei, in das verschlossene Wohnhaus in der Weisestraße zu gelangen, habe er „anschließend die bekanntgemachte Telefonnummer Ihres Mandanten angerufen“.
Daß der Beamte sich anonym in der Wohnung gemeldet und keinerlei Information erhalten haben soll – so die Version der damals in der Wohnung anwesenden Frau gegenüber K. –, bestritt die Polizei. Der KOB habe sich bei dem Telefongespräch „sehr wohl als Polizeibeamter“ vorgestellt, eine fehlerhafte Arbeitsweise sei daher nicht erkennbar. Auch das Verhalten der Meldebehörde blieb ohne Folgen. Die Innenverwaltung ließ die Anwältin in einem Brief am 25.Juni wissen, die Abmeldung sei korrekt gewesen, da „die Mitteilung des Kontaktbereichsbeamten zuverlässig erschien und weitere Ermittlungen zu einem etwaigen neuen Aufenthaltsort ohne Ergebnis blieben“.
Erkundigungen in der Nachbarschaft
K.s Fall ist nicht der einzige, wie Rechtsanwältin Sachsenberg mittlerweile weiß. Eine türkische Mandantin, die vor vier Wochen ihre Kanzlei aufsuchte, berichtete ähnliches: Erst auf der Kfz-Stelle, wo sie ihren Wagen registrieren lassen wollte, erfuhr sie von der Löschung ihrer Daten. Eine Nachfrage auf der zuständigen Meldestelle in der Hauptstraße in Schöneberg bestätigte den Vorgang. Dort wurde die 33jährige auch darüber aufgeklärt, daß ein KOB in der Nachbarschaft Erkundigungen über ihren Aufenthalt eingeholt und weitergeleitet hatte.
Nachdem schließlich auch ihr Vermieter, den die Behörde schriftlich um Auskunft bat, in einem Vermerk erklärt hatte, die junge Türkin sei längere Zeit nicht im Haus gesehen worden, erfolgte schließlich die Abmeldung. Ein Unding, wie die Anwältin meint: „Dabei hat der Vermieter im gleichen Formular bestätigt, daß die Frau immer pünktlich ihre Miete zahlt.“
Hans-Christoph Bonfert, Sprecher der Innenverwaltung, sieht in dem Vorgehen der Berliner KOBs nichts Ungewöhnliches: „Der Kontaktbereichsbeamte hat rechtlich die Möglichkeit, für das Landeseinwohneramt Amtshilfe zu leisten.“ Es sei „logisch“ und „sinnvoll“, daß jemand, der sich im Bezirk gut auskenne, dafür sorge, daß „die Datenbank des Landeseinwohneramtes sauber und korrekt gehalten wird“. Severin Weiland
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