: Weltbild wieder mit Dividende
Haupversammlung des Springer-Verlages: Kirch wieder im Aufsichtstrat ■ Aus Berlin Annette Jensen
Vor den Bilanzzahlen standen wie üblich die patriotischen Töne: „Das Geschenk der Einheit und Freiheit für alle Deutschen droht im allgemeinen Wehklagen über die gesellschaftlichen, insbesondere die wirtschaftlichen Probleme des Landes in Vergessenheit zu geraten“, mahnte Springers Aufsichtsratsvorsitzender Bernhard Servatius. Die „überzogenen Konsumansprüche unserer Gesellschaft“ müßten vom Staat zurechtgestutzt, die Unternehmenssteuern gesenkt werden – ansonsten sollten sich die Politiker aus der Wirtschaft raushalten.
Damit war die Hauptversammlung im Berliner Congresszentrum eröffnet. Springer-AktionärInnen dürfen nach dem dividendenfreien letzten Jahr den Gürtel trotzdem wieder aufschnallen: wie vor 1991 gab es 12 Mark pro Aktie. Die Bilanz weist ein Plus von 57,6 Millionen Mark bei einer Gesamtsumme von rund 3,5 Milliarden Mark aus, nachdem der Konzern im letzten Jahr magere 11,2 Millionen erwirtschaftet hatte. Das positive Ergebnis kam allerdings nicht durch eine Umsatzsteigerung zustande – er ging um 115,4 Millionen zurück – sondern durch sinkende Papierpreise und das Abstoßen unrentabler Betriebsteile. Vor allem die Einstellung des Bild-Abklatsches Claro in Spanien und der Rückzug aus einigen ostdeutschen Blättern schlugen positiv zu Buche.
„Die Welt ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Hauses Axel Springer. Sie gehört zur Identität dieses Verlages“, rechtfertigte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Günter Prinz das Engagement für das permanent rote Zahlen schreibende Blatt; Insider wissen, daß die Welt im letzten Jahr 50 Millionen Mark Miese einfuhr. Der Umzug der Redaktion nach Berlin wird zusätzlich schätzungsweise 15 Millionen Mark kosten. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien „Nachwirkungen eines außergewöhnlichen politischen Engagements gegen Bedrohung durch den Kommunismus und für die Wiedervereinigung Deutschlands“, behauptete Prinz. Wer will da noch nach dem Mammon fragen? Allein ein Aktionär stellte in der Diskussion den Umzug in die neue, alte Hauptstadt aus Kostengründen in Frage.
Die Bild-Gruppe ist laut Prinz die „Perle des Hauses Springer“. Zwar mußte die tägliche Sex-and- Crime-Gazette ebenfalls einen Verkaufsrückgang hinnehmen; aber die Springer-Manager hoffen, durch ein Konzept mit mehr Hintergrundinformationen die Auflage bei 4,5 Millionen Exemplaren zu stabilisieren. Insgesamt lesen angeblich 22 Millionen Menschen ein oder mehrere Objekte aus dem Sortiment Bild, Bild der Frau, Auto Bild, Bild am Sonntag oder Sport- Bild. Im Osten wird die Bildzeitung angeblich 560.000mal am Tag verlangt. Stolz vermeldete Prinz, daß die Konkurrenten Super völlig und das Gruner + Jahr- Bou levardblatt Morgenpost weitgehend verdrängt werden konnten. „Unsere Blätter haben sich glanzvoll durchgesetzt“ – nach einem brutalen Preiskrieg, bei dem Zeitungen haufenweise kostenlos verteilt wurden.
Harsche Worte richtete Servatius gegen die nordrhein-westfälische Landesmedienanstalt. Seitdem der Film-Medienzar Leo Kirch mit 35 Prozent an Springer beteiligt ist, vermutet sie eine Vernetzung der beiden Konzerne und damit eine bedenkliche Marktkonzentration, wenn Springer und Kirch mehr als 50 Prozent des Privatsenders Sat.1 behalten. „Es gibt weder einen Poolvertrag noch Stimmrechtsbindungen, noch Absprachen über abstimmungsverhalten oder Aufsichtsratsbesetzungen“, so Servatius. Trotzdem schlug der Aufsichtsrat Leo Kirch gestern als neu zu wählendes Mitglied vor.
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