Frühstücken im Freien

■ Im Westen blüht die Frühstückskultur, im Osten sind die Brötchen besser

„Solang ich nüchtern, bin ich träg und dumm, doch nach dem Frühstück schon kommt Witz und Klugheit.“ Dem Frühstück Ereignischarakter zu geben, ist an schönen Sommertagen kein Problem: Man verlegt es nach draußen. Wer mit einem handtuchschmalen Nordbalkon geschlagen ist, muß also ins Frühstückscafé.

Intensiv wird die Frühstückskultur rund um den Savignyplatz gepflegt. So frühstückt man im Schwarzen Café in der Kantstraße rund um die Uhr, was den Gästen die Möglichkeit bietet, auch nach den ärgsten Exzessen sofort einen neuen Tag zu beginnen. Eines der 14 Angebote auf der Frühstückskarte trägt denn auch den Namen „Exzeß“, obwohl es außer den basics nur die Wahl zwischen einem Ei, Käse oder Schinken bietet. Lebeleute dürften deshalb eher zum üppigen „Tiffany“ mit Sekt, Eiern greifen.

Eine andere Hochburg der Frühstückskultur ist Kreuzberg 61. Wer seinen Tag solide und sportlich im Spreewaldbad beginnt, braucht danach nur den Platz zum Morena hin zu überqueren, wo die Vorherrschaft des französischen Frühstücks erfreulicherweise aufgehoben ist: Es gibt italienisches (mit Parmaschinken, Salami und Mortadella), holländisches (Erdnußcreme und Schokostreusel), spanisches (Pfannkuchen mit Ahornsirup) und englisches (Bohnen, Bacon und viel Fett).

Sommerzeit ist Reisezeit, und alte Schulfreunde und kleine Geschwister kommen jetzt besonders gern angereist, um die Kneipenszene im Osten zu besichtigen. Zum Teil läßt sich das auch vormittags erledigen. Auf der Terrasse des Tacheles gibt es zwar nur Kaffee und Zigaretten – ein existentialistisches Morgenmahl sozusagen –, aber dafür die Aussicht auf eine grandiose Schrotthalde. Schräg gegenüber, im Café Oren, kann man – wenn man sich durch das häßliche weiße Plastikgestühl nicht abschrecken läßt – ein vergleichsweise billiges Lachsfrühstück oder Bananen-Mandel-Omelettes wegschlemmen. Mit dem Plastikgestühl sowie einem trüben Tümpel ist auch der Hof des „Café Esplanade“ am Potsdamer Platz ausgestattet. Hier empfiehlt es sich deshalb, das Sektfrühstück „Globe Theater“ lieber in den prachtvollen Innenräumen einzunehmen.

Was das Frühstück im Ostteil so attraktiv macht, sind die Brötchen, die im Unterschied zu den Produkten Westberliner Bäcker lecker und gehaltvoll schmecken. Im „Café Eistüte“ am Kollwitzplatz gibt es diese Brötchen und das dazugehörige Frühstück bis nachts um eins. Die „Krähe“ hundert Meter weiter bietet eine schöne Lage und unkonventionelle Speisen: So macht sich auf dem „gemischten“ Frühstücksteller neben den üblichen Ingredienzien auch ein gemischter Salat breit. Zuletzt noch zwei Tips für Vielesser und Zeitungsleser: Der „Dicke Engel“ am U-Bahnhof Birkenstraße macht seinem Namen mit dem allsonntäglichen üppigen Frühstücksbuffet alle Ehre. Und im „Xenzi“ in der Neuköllner Selchower Straße kann man neben allerlei guten Sachen auch auch Zeitschriften von „Titanic“ bis „Konkret“ verfrühstücken und alles mit einem Selter- Joghurt-Gemisch hinunterspülen. Es heißt „Morgendusche“ und macht wenn nicht klug, so doch wach. Miriam Hoffmeyer