: Ogata: Sarajevo wird langsam stranguliert
■ Medien in Sarajevo stehen vor dem Aus / Jugoslawien verschärft Visabestimmungen für Hilfstransporte / Drašković bleibt trotz Appellen in Haft
Berlin (taz) – Auf Hilfe von außen hoffen nur noch wenige der 380.000 in Sarajevo verbliebenen Menschen. Die tägliche Mindestration für Lebensmittel liegt bei 25 Gramm pro Person, was etwa einem Riegel Schokolade entspricht. Daran wird auch die erneute Verurteilung der serbischen Belagerer durch die UNO-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Sadako Ogata, nichts ändern. Gestern wies sie in Genf darauf hin, daß die Menschen in der bosnischen Hauptstadt „nicht nur von Bomben und Kugeln, sondern auch von Hungertod, Krankheiten und Durst“ bedroht werden.
Auch in geistiger Hinsicht greift die serbische Belagerungspolitik: Oslobodjenje (Befreiung), die Tageszeitung der bosnischen Hauptstadt, steht vor dem Aus. Nach Angaben des Bildungswerkes der UNO (UNESCO) wird die Zeitung, die nach der Zerstörung ihrer Büroräume durch Granaten seit über einem Jahr im Keller produziert wird, in wenigen Tagen wegen Mangels an Papier und Druckerschwärze ihr Erscheinen einstellen müssen. Auch der Rundfunk der Republik Bosnien-Herzegowina wird seinen Sendebetrieb infolge der Kriegsschäden nicht mehr lange aufrechterhalten können.
Auf einer UNESCO-Tagung in München wiesen gestern Journalisten aus den ex-jugoslawischen Republiken Serbien und Kroatien auf den zunehmenden Druck der dortigen nationalistischen Regime auf die Medien hin. Zeitgleich wurde in Belgrad der Chefredakteur der unabhängigen Tageszeitung Borba (Kampf) durch einen Anhänger des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević ersetzt.
Erstmalig hat die international nicht anerkannte „Bundesrepublik Jugoslawien“ offen die humanitäre Hilfe für Bosnien-Herzegowina behindert. Nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) hat Belgrad gestern die Visabestimmungen für Mitarbeiter des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) verschärft. Künftig werden Visa des aus den ex-jugoslawischen Republiken Serbien und Montenegro bestehenden Staates nur noch für die dreimalige Einreise gelten. Die neue Regelung behindert vor allem die Fahrer der UNO-Hilfstransporte, die nicht mehr ständig zur Verfügung stehen können.
Erneut lehnte das Belgrader Bezirksgericht die Freilassung der serbischen Oppositionellen Danica und Vuk Drašković mit Verweis auf „fehlende ärztliche Gutachten“ ab. Der Vorsitzende der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ (SPO) war zusammen mit seiner Frau am 2. Juni nach einer gewalttätigen Demonstration im Belgrader Stadtzentrum verhaftet und dabei schwer verletzt worden. Die SPO hatte nach einem erneuten Antrag der Verteidiger auf Haftverschonung bis zum Gerichtstermin gestern fest mit einer Freilassung der Draškovićs gerechnet.
Vuk verweigert seit dem 1. Juli die Annahme von Nahrung und Medikamenten, um die Entlassung seiner Frau zu erzwingen. Sein Gesundheitszustand beurteilten Belgrader Ärzte als „sehr kritisch“. In den vergangenen Tagen und Wochen hatten verschiedene internationale Persöhnlichkeiten sich für die Freilassung der Draškovićs eingesetzt.
Die Medienkampagne gegen die UN-Schutztruppen in Kroatien geht derweil weiter: Die größte Tageszeitung der seit zwei Jahren unabhängigen Republik, Vjesnik, macht die Blauhelme in ihrer gestrigen Ausgabe nun auch für das Ausbleiben der Adria-Urlauber verantwortlich. „Schon das dritte Jahr kommen keine Touristen, weil die UNO den serbischen Terroristen erlaubt, zu tun und zu lassen, was sie wollen“, kritisierte das Zagreber Blatt. rr
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