: Touristenfang
■ Wie auf Norderney die Beute wechselte
Touristenfang
Wie auf Norderney die Beute wechselte
Die Norderneyer Fischer hatten eine mordsmäßige Wut im Bauch. Draußen auf der See jagte eine moderne britische Dampferflottille die angestammten Fischgründe leer. Auf der Insel verhökerte die Konkurrenz aus Holland ihren Billigfisch. Als Proteste und Bittschriften nicht halfen, platzte den Ostfriesen der Kragen. Mit Knüppeln, Eisenstangen und Äxten bewaffnet stürmten sie die Schaluppen der niederländischen Kollegen, zerschnitten deren Segel, zerschlugen Ruder und Masten.
Doch die Wut der Ostfriesen war noch nicht verraucht. An die zweihundert aufgebrachte Fahrensleute zogen zum Haus des Fischgroßhändlers E.G. van Oterendorp. Der hatte sich geweigert, den heimischen Fang bevorzugt zu vermarkten. Sein Anwesen ging in Flammen auf.
Der Oktoberwind des Jahres 1877 kühlte die erhitzten Gemüter. Die juristische Aufarbeitung des Falls begann. Am 4. März 1878 verurteilte das Königlich Preußische Schwurgericht zu Aurich 18 Rädelsführer zu Zuchthaus-und Gefängnisstrafen. Es war der Anfang vom Ende des einstmals blühenden Norderneyer Schellfischfangs. Von den im Jahre 1886 gezählten 76 Segelschaluppen waren im Jahr 1911 keine mehr vorhanden. Die Norderneyer Fischer verdingten sich im lukrativeren Fremdenverkehrsgewerbe. dpa
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