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Hinter der Fassade atmet das „Schloß“ Geschichte

■ Im Innern konfrontiert eine Ausstellung die Besucher mit Preußens Gloria

Das Stadtschloß will nicht nur Fassade sein. Mit Livemusik (die „Lustigen Preußen“), Kabarett und diversen TV-Sendungen möchten die Veranstalter im Innenhof unterhalten. Die Ausstellung „das Schloß?“ will „die Berliner und ihre Gäste“ belehren. Sie soll „ein Signal setzen für eine faire, sachliche Auseinandersetzung mit dem großen, die architektonische Zukunft der Stadtmitte Berlins bestimmenden Thema“ – so will es der Stadtschloßvereinsvorsitzende von Boddien.

Recht zugig ist es in den hastig zusammengezimmerten Ausstellungsräumen. Krampfhaft und provinzieller noch als jedes dörfliche Heimatmuseum bemühen sich schlichte Reproduktionen alter Stiche zu zeigen, wie sich „Schloß und Stadt“ miteinander entwickelt und verändert haben. Einige der schlecht befestigten Bilder fallen wegen des immensen Andrangs schon so langsam herunter, als wollten sie da nicht mehr hängen.

Vom Ursprung des Stadtschlosses im Jahre 1442 über seine Vollendung im Barock bis zur Sprengung 1950 führt ein sterbenslangweiliger, manchmal peinlicher Weg – wenn da etwa recht unbeholfen steht: „Die DDR-Gewaltigen wollten sich auf der Stelle der Hierarchie selber draufsetzen.“ Das Schloß ist von allen Seiten schön und wird auch exzessiv abgebildet. Personengeschichte dominiert. Nur die Regierenden handeln, mögen sie „Friedrich der Große“ – „er verkörperte übrigens wie kein anderer die Maxime ,Gefühl und Härte‘“ – oder Walter Ulbricht heißen.

Als Volk wird der ideelle Gesamttypus „Berliner“ konstruiert, der CDU-Wähler mit Schnauze sozusagen. Ein Türke kann's nicht sein. Auch tauchen nach dem Schicksalsschlag Weltkrieg I Kommunisten und Nazis im vermischten Einerlei auf. Eher pittoresk marschiert das preußische Militär in einem Videofilm vorbei, andächtig schauen die Besucher. „Das sind bestimmt alles Leute, die zu Hause Kaiserbilder haben“, findet ein junges Mädchen. Fragmente von Kapitelen, Säulen und Figuren, ein eifrig restaurierender Restaurateur und viele Pläne demonstrieren die Möglichkeiten einer Schloßrekonstruktion. Auch hat man acht jungen Architekten im letzten Ausstellungsraum Platz eingeräumt, Modelle des Zentrums ohne Schloß zu präsentieren. So recht können leider auch die Modelle der Schloßgegner nicht überzeugen.

Am Ende der Ausstellung steht eine Lateinlehrerin in akurater Bluse und fragt mit autoritärem Lächeln, ob man denn nicht für den Wiederaufbau spenden wolle.

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