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Verbissenheit statt Lacher

■ An diesem Dienstag: "Die Weltbühne" ist nicht mehr im Briefkasten - ein zweiter Titelerbe taucht auf

So manch wahrer kluger Kopf dürfte heute morgen einigermaßen enttäuscht in den Briefkasten geblickt haben, wenn er darin wie jeden Dienstag – neben der taz – auch Die Weltbühne vermutet hat. Denn mit Nummer 27 von letzter Woche war Schluß. Den hätte man durchaus überlesen können, so kurz wie die pflichtgemäßen Abgesänge von Gesellschafter und Herausgeber gehalten waren.

Man denke nur an das Stelldichein, das sich TransAtlantik vor Jahr und Tag mit der letzten Nummer gab – mit all den bekannten Namen und den mahnenden Worten! Dagegen war dieses Finale hier vergleichsweise bescheiden. Um das zu erklären, was es (nach Redaktionsschluß) noch zu erklären gab, genügte dem alleinigen Verlagsgesellschafter, Bernd F. Lunkewitz, eine knappe Seite. Seine Gesellschaft, „Verlag der Weltbühne“ mit Namen, hatte nach gerichtlichem Streit die Titelrechte für Die Weltbühne an den greisen Peter Jacobsohn abtreten müssen. Denn auf dessen Vater, Siegfried Jacobsohn, geht alles zurück: Die Weltbühne, davor Die Schaubühne, ihr Geist und ihre Legende. Siegfried Jacobsohn hatte sie 1905 als ein Theaterblatt gegründet und eine politische Zeitschrift daraus werden lassen, die unter der Leitung von Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky Geschichte machte. Aber Die Weltbühne – vor den Nazis ins Exil geflüchtet, dann in der Sowjetischen Besatzungszone wieder lizensiert und fortgeführt bis heute – diese Weltbühne hat noch eine ganz andere Geschichte. Das ist die Geschichte einer Zeitschrift der DDR, die in einer festgesetzten Auflage von 30.000 Exemplaren erscheinen durfte – eine ganz andere Zeitschrift in einer ganz anderen Welt, aber selbst hier (vielleicht nach einer merkwürdigen Anwandlung nuancenweiser Meinungsvielfalt) mit etwas mehr Realitätssinn und Stellungnahme als in den Massenmedien der DDR.

Mit dieser Geschichte will Jacobsohn nun brechen. Dazu mußte er die Titelrechte für Die Weltbühne an sich nehmen, in deren Impressum der Name seines Vaters bis heute verwandt wird. Jetzt, da er sie besitzt, wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als seine gescheiterten Versuche aus den frühen Jahren der Bundesrepublik wieder aufzunehmen. Die Weltbühne in Eigeninitiative neuzugründen (oder zu lassen) – anderenfalls würden die Titelrechte an der Zeitschrift ungenutzt verfallen. Dann hätte er auch eine Traditionslinie unterbrochen, die Die Weltbühne der Nachwendezeit längst schon wieder aufgegriffen hatte, nämlich die der Tucholskys und Jacobsohns.

Der bestehenden Redaktion dürfte, bis sie noch einmal gerufen werden könnte, die Luft ausgegangen sein. Die Treuhandanstalt wurde angewiesen, den „Verlag der Weltbühne“ abzuwickeln, im September laufen die Arbeitsverträge aus. Vorschläge der Redaktion, Die Weltbühne unter verfremdetem Namen, etwa Die Wildbiene, weiterzuführen, lehnte der Verlagsgesellschafter ab. Er wolle „keine Lachnummer“ – ob er da nicht etwas zu eng sieht? Schließlich erschien 1921 unter Mitarbeit von Siegfried Jacobsohn einmalig eine Welt-, Wald- und Wiesen- Bühne. Und: Ist Theobald Tiger etwa ein ernsthafter Name?

Aber es hilft nichts, Lacher passen nicht in die Verbissenheit, mit der diese Auseinandersetzungen geführt werden – und die nehmen kein Ende: Inzwischen soll schon ein weiterer „Erbe“ Titelrechte angemeldet haben – und zwar einer von Hermann Budzislawski, einem Herausgeber der neuen Weltbühne im Prager Exil. Stephan Göbel

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