: Saar-Grüne bleiben auf Konfrontationskurs
■ Schlichter, Minderheiten und Rechnungsprüfer bleiben an der Saar chancenlos
Saarlouis (taz) – Maria Marx und Werner Schmitt haben es wirklich bis zuletzt versucht. Doch am Ende sind alle Versuche der Vorsitzenden der hessischen Grünen und ihres Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen, den seit anderthalb Jahren tobenden Streit bei den saarländischen Grünen beizulegen, kläglich gescheitert. Seit der Landesdelegiertenkonferenz vom Sonntag ist klar: Die innerparteiliche Oppositionsgruppe „Perspektive 95“ mit den meisten Stadt- und Gemeinderäten und immerhin einem Drittel der Delegierten in ihren Reihen bleibt weiterhin von den Gremien der Landes-Grünen ausgeschlossen.
Dem Bundesverband hat der alte und neue Landesvorstand gleich den Krieg erklärt: Marx und Schmitt, vom Länderrat der Grünen in offizieller Mission an die Saar geschickt, mußten sich vor ihrer Abreise ebenso wie Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle sogar den Vergleich mit dem Einmarsch der Roten Armee in Prag von 1968 gefallen lassen. Ausgesprochen hat dies der mit Zweidrittelmehrheit wiedergewählte Landesvorstandssprecher Hubert Ulrich, der den Ablauf des neunstündigen Parteitages ohne politische Themen fest in den Händen hielt: Mit der Stimmkarte auf und ab laufend, dirigierte er seinen verläßlichen Zwei-Drittel-Block. Redner der Minderheit wurden niedergebrüllt, ihre Anträge allesamt nach Gegenrede von Ulrich-Adlatus Rüdiger Schneidewind abgeschmettert.
Dabei hatte es vor Wochen noch ganz anders ausgesehen: Die SchlichterInnen Marx und Schmitt, immerhin auch vom Landesvorstand um Hubert Ulrich mit ausgesucht, hatten in zwei Nachtsitzungem mehrere Kompromisse erzielt. Beide Konfliktparteien unterschrieben. Doch kurz vor dem Parteitag erklärte Ulrich, ihn schere „einen Teufel, was die Bundesschlichter sagen“.
Kritisch wird der Isolationskurs der Saar-Grünen vor allem bei den Finanzen: Sie bestreiten ihren Haushalt zur Hälfte mit einem jährlichen Bundeszuschuß von 100.000 Mark. Doch der Länderrat der Grünen hat das Geld nach einem entsprechenden Votum der Bundesrechungsprüfer gesperrt. Das vom Landesvorstand lange angekündigte Gutachten eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers wurde von Landesschatzmeister Josef Dörr nur mündlich vorgetragen. Wichtige Fragen, wie der rätselhafte Anstieg der Aufwandsentschädigung für Vorstandsmitglieder ohne Parteitagsbeschluß, blieben ungeklärt. Eine Debatte über den umstrittenen Haushalt fand trotz zahlreicher Anträge nicht statt. Dabei hatten auch die SchlichterInnen eindringlich vor Entlastung des Vorstandes gewarnt: „Wir sind hier“, klagte Wolfgang Schmitt, „systematisch belogen worden.“
Der Länderrat hatte den Saar- Grünen Mitte Juni bereits mit Amtsenthebung des Vorstandes gedroht. Darüber soll im Herbst entschieden werden. Dann dürfte den Bundes-Grünen eine niederschmetternde Bilanz der SchlichterInnen vorliegen.
Im Saarland selbst freuen sich jedenfalls viele über den Verlauf des Parteitages: Hubert Ulrich, seine Anhänger und vor allem Lafontaines SPD. Mit deren „ökologischem Tarnanstrich“ hat nämlich nur Ulrichs unterlegener Gegenkandidat Jochen Bohl kenntnisreich abgerechnet. Doch das interessierte die Delegierten-Mehrheit ebenso wenig wie die Ansichten von Ulrichs neuer Co-Sprecherin Angelika Lowe. Die ehemalige CDU-Frau legt Wert auf die Feststellung, daß sie die Union „nicht aus inhaltlichen, sondern nur aus persönlichen Gründen“ verlassen habe. Gesagt hat sie das offen am Saalmikrophon – vor ihrer 70-Prozent-Wahl. Frank Thewes
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