: Der Brief von Eltern eines RAF-Mitglieds
Wir müssen wie ins Leere sprechen, denn wir kennen Euch nicht. Es gibt die Fahndungsaufrufe, die von Vermutungen ausgehen; so dürfen wir auch nur vermuten, mit diesem Brief Dich, unseren Sohn, zu erreichen.
Euer letzter Brief, der die Trauer um den toten Freund zum Ausdruck bringt, hat uns auf neue Weise berührt. Plötzlich verbindet uns wieder etwas: auch Ihr leidet „gefühlsmäßig“, wenn ein naher Mensch „gewalttätig“ aus Eurem „Lebenszusammenhang herausgerissen“ wird.
So gäbe es eine kleine Hoffnung, Ihr könntet Verständnis haben für die anderen Lebenszusammenhänge, deren Zerreißung Ihr bewirkt habt? Und könntet den Schmerz der Familien Eurer Opfer wie den Eurer eigenen, die Ihr verlassen habt, nachfühlen?
Wäre dies so, dann hätten wir einen Anlaß, Dir zu sagen, daß wir uns aus diesem inneren Zusammenhang bis heute nicht entlassen fühlen und immer noch in der Erfahrung gegenseitiger Verbundenheit leben.
Aus Eurem Brief hören wir tiefe Enttäuschung heraus über die ausgebliebene Anerkennung Eures im April 92 so eindringlich geäußerten Willens zu einer Neuorientierung. Zu einem solchen Lernprozeß bekennt Ihr Euch jetzt wieder. Wir wünschen nichts dringender, als daß man Euch an diesem Umdenken in Zukunft nicht hindert.
Könntet Ihr doch deutlicher als bisher wahrhaben, daß „dieses System“ im Grunde auch ein solches der „Lebenszusammenhänge“ ist, deren Wert und Bedeutung Ihr in Eurer Trauer nicht zu leugnen vermögt.
Die Verfasser sind die Eltern eines gesuchten mutmaßlichen
RAF-Mitgliedes und der Redaktion bekannt.
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