Ende mit Wermut

■ Jerry Lee Lewis, ein Opfer diverser Betäubungsmittel, und ein swingender Ray Barretto beendeten den Jazzport

Ein Riese von Gestalt und ein — wie sich das für Jazz-Größen schickt — nur In-Groups bekannter Veteran brachte am Montag das Publikum im Zelt des Jazz-Zirkus vor den Deichtorhallen mit verjazz-ten Latinrhytmen in Bewegung. Ray Barretto trohnte strahlend hinter seinen Congas, sofern er nicht zur Anfeuerung seiner Band New World Spirits ein wenig tanzte. Die mitreißenden Botschafter ihrer eigenen Form der Weltmusik trafen ein Publikum, das willens und fähig war, den Off-Beat mitzuklatschen.

Für Stimmung hatte zuvor das Jonas Schoen Sextett gesorgt, eine junge Hamburger Combo von Profi-Musikern, die Rock, Latin, Folklore und freie Konzepte zu ihrer Art von Modern Jazz zusammenfließen ließen. Wenngleich man sich manchmal etwas mehr Beherztheit in der Improvisation hätte wünschen können, brachten die sechs ihre Instrumente doch so überzeugend in eine musikalische Plauderei, daß sie den von einer Zigarretten-Firma gestifteten Publikumspreis in Höhe von 2000 Mark verdient ergatterten.

Mit einem völlig zugedrogten Jerry Lee Lewis und einer Band, die den Eindruck erweckte, als treffe sie die alte Legende hier auf der Bühne das erste Mal, ging das Jazzport-Festival dann mit einem kleinen Wermutstropfen zu Ende. Stieren Blickes und mit tonnenschweren Armen wirkte die einst prophetische Wildheit des 58jährigen „Killers“ sanatoriumsreif. „Whole Lotta Shakin' Going On“ oder „Jailhouse Rock“ hätten an diesem Abend die Teds aus der ersten Reihe besser gebracht. Nur „Great Balls Of Fire“, als letzte Nummer mit der beflügelnden Wirkung des Stallgeruchs gespielt, reflektierte ein wenig den Glanz großer Tage. Nach nicht ganz einer Stunde war der Senioren-Spuk vorbei. Doch auch das Rock'n'Roll-Volk ist nicht mehr, was es mal war. 1957 wäre das Festzelt nach solch einer Vorführung nicht mehr an seinem Platz gestanden. 1993 trottete man brav nach Hause.

15.000 Zuschauer sahen die neun Konzerte des Festivals, die diesmal stilistisch extrem weit gefächert waren. Einsamer Höhepunkt des Jazzport war mit Sicherheit die Late Night Show am Freitag mit US3, Jazzmatazz und Jamiroquai. Trotz der anspruchsvollen Zeit (0 bis 5 Uhr) war das Zelt fast bis zuletzt randvoll und ein Ort der Top-Score-Stimmung. Aber auch alte Recken wie John McLaughlin oder Herbie Hancock bewiesen ihren unvergreisten musikalischen Geist. Daß P-Funk-Häuptling Clinton wegen verspätet fertig gewordener Platte nicht aufkreuzte, versagte den Veranstaltern von Jazz and More ein weiteres ausverkauftes Konzert. Dennoch, so Thomas Engel, war man „rundum zufrieden“. Nur die immer noch fehlende Institutionalisierung dieses Festivals drückt die Veranstalter. Nach vier erfolgreichen Jahren sollte man sich in der Kulturbehörde vielleicht doch einmal überlegen, ob man dem Jazzport nicht mit mehr als einem Sechstel des Etats (120.000 Mark) zu einer gesicherten Zukunftsplanung verhilft.

jk/tlb