piwik no script img

„Zirndorf regelt jetzt alles“

■ Fast ein Wunder: Asylbewerber kommen immer noch nach Hamburg / Behörde will fünf Containerdörfer schließen    Von Kaija Kutter

Können die Nachbarschafts-Initiativen die Thermoskannen und Kuchenbleche einpacken? Ist es schon vorbei mit dem Flüchtlingsstrom? „Ich wär mir da nicht so sicher“, sagt Sozialbehörden-Sprecherin Christine Baumeister. Ihre Behörde, das wurde gestern bekannt, will bis Jahresende fünf Containerdörfer schließen. Mit dabei die Simrockstraße in Blankenese, was, so Baumeister, „schade sei“. Nachbarn und Flüchtlinge hätten sich gerade gut aneinander gewöhnt.

Auch das Containerdorf Wetternstraße in Harburg soll durch Pavillonbauten ersetzt werden, die Blechkästen auf dem Gelände des AK-Harburg müssen Krankenhaus-Neubauten weichen. Wenn weitere Kapazitäten überflüssig sind, haben die alten Container in Bergedorf und der Abbau von Hotel- und Pensionskapazitäten Priorität.

Geht jetzt alles ganz schnell? Dank der vorletzten Asylgesetz-Änderung werden seit April sogenannte „Altfälle“ schneller abgebaut (sprich abgeschoben) und Neuankömmlinge im Nu per Computerprogramm auf andere Bundesländer verteilt. Die Gesetzesnovelle, die öffentlich weit weniger Beachtung fand als der „Asylkompromiß“, hat bereits für den entscheidenden Knick in der Statistik gesorgt. So sank die Zahl der Erstankömmlinge in Hamburg von April bis Juni von 951 auf 412. Nur rund ein Drittel dieser Menschen kann für die Dauer ihres Asylverfahrens hierbleiben. Die Anträge der Übrigen wurden im Schnellverfahren als „offensichtlich unbegründet“ eingestuft. Ihnen bleibt ein maximal drei Monate langer Aufenthalt auf den Wohnschiffen. Dann sind sie weg.

Fast ein Wunder: Auch nach Inkrafttreten des Asylkompromisses kommen Flüchtlinge. Die Sozialbehörde spricht von 183, die Ausländerbehörde hat 283 registriert. Was aus den Menschen wird, die theoretisch gar nicht hier sein dürften, weil die BRD von „sicheren Drittländern“ umzingelt ist, ist unklar. „Die meisten sind über die grüne Grenze gekommen“, erklärt Ausländerbehörden-Mitarbeiter Horst Smekal. Da die Menschen in der Regel auch keinen Paß hätten, würden sie von der Bundesanstalt in Zirndorf über ihren Reiseweg befragt. Werden dann die Auskünfte verweigert, gilt der Antrag als „offensichtlich unbegründet“. Doch so einfach ist es mit der Abschieberei dann wieder nicht. Ohne Paß keine Auskunft übers Einreiseland und keine Verpflichtung fürs Drittland, die Asylbewerber zurückzunehmen. Doch darüber brauchen sich die Beamten in der Amsinckstraße keine grauen Haare wachsen zu lassen. Smekal: „Mit Entscheidungen hat die Ausländerbehörde nichts mehr zu tun, das macht jetzt alles Zirndorf“. Lediglich für die Verlängerung von vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigungen sei man noch zuständig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen