"Ich nehme keine Türken"

■ Für Immigrantenkinder wird die Suche nach einem Ausbildungsplatz immer schwieriger / Wirtschaftspolitik ist gefragt / Förderlehrgänge vom Arbeitsamt

Bittere Erfahrungen macht Ayse A.*, seit sie auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist. Die 18jährige Türkin kam im Alter von drei Monaten mit ihren Eltern nach Deutschland, zog nach Kreuzberg und wurde dort in der Carl-von-Ossietzky-Schule eingeschult. Am Oberstufenzentrum absolvierte sie eine Ausbildung in der Fachrichtung Handel. Damit hat sie die mittlere Reife und möchte am liebsten Bürokauffrau werden. Als sie jedoch einen Betrieb anrief, der eine Ausbildung zur Bürokauffrau anbot, wurde sie gleich am Telefon von einem Mann abgewimmelt: „Ich nehme keine Türken.“

„Dies ist kein Einzelfall“, berichtet Uta Bohlmann, Berufsberaterin im Arbeitsamt IV. Schwierig sei, daß viele ausländische Jugendliche Sprachprobleme hätten. Hinzu komme, daß nach dem Fall der Mauer der Konkurrenzdruck stärker geworden sei. Auch der Bezirk spiele wahrscheinlich eine Rolle. Denn auch Ayse sah beim Bewerbungsgespräch in einer Arztpraxis ihre Chancen schwinden, nachdem sie gesagt hatte, sie käme aus Kreuzberg.

Trotz gesetzlichen Diskriminierungsverbots kann das Arbeitsamt nur bedingt Einfluß auf die Betriebe ausüben. „Wenn ein Betrieb keine ausländischen Jugendlichen ausbilden will, hat das Arbeitsamt nur die Möglichkeit, Überredungskünste anzuwenden“, erklärte Frau Gordon, Referatsleiterin der Abteilung Berufsberatung im Landesarbeitsamt (LAA). Sollte sich der Betrieb trotzdem weigern, einen Ausländer auszubilden, dürfe das LAA den freien Platz nicht in sein Angebot aufnehmen.

Ayse hatte ein Jahr vor ihrem Schulabschluß begonnen, schriftliche Bewerbungen abzuschicken. Bis heute hat sie rund 50 Versuche gestartet, jedoch nur Absagen bekommen. „Das ist für die BewerberInnen sehr frustrierend“, sagt Uta Bohlmann. Und die Betriebe seien oft nicht bereit zu sagen, warum sie eine Absage erteilten.

Maßnahmen, die der steigenden Benachteiligung von nichtdeutschen Jugendlichen entgegenwirken sollen, werden vom Senat und vom LAA angeboten. „Wir bieten beispielsweise sogenannte Grundausbildungs- und Förderlehrgänge für Deutsche und Nichtdeutsche an“, erläutert die Referatsleiterin Dorothee Gordon. Diese einjährigen Grundausbildungslehrgänge sind für diejenigen, die keine Ausbildungsstelle bekommen, weil die Noten zu schlecht sind.

„Diese Lehrgänge sind aber nicht das Gelbe vom Ei“, fügt die Referatsleiterin des LAA hinzu. Zwar könnten sich die AbsolventInnen der Lehrgänge im nächsten Jahr mit Vorwissen bewerben, eine Stelle garantiere ihnen dies jedoch nicht. Aber immer noch besser, als wenn sie auf der Straße stünden.

„Das Hauptproblem sind die fehlenden Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen“, erklärt Safter Cinar, Leiter der Ausländerberatungsstelle des DGB. Bis 1989 nahmen zwar die Ausbildungsverhältnisse mit nichtdeutschen Jugendlichen zu. Danach jedoch verschlechterten sich ihre Chancen.

„Die Benachteiligung zeigt sich schon in den Schulen“, meint Cinar. Er hatte für das Schuljahr 1989/90 berechnet, daß in Berlin viel mehr ausländische Schüler an Hauptschulen unterrichtet werden als deutsche (rund 26% zu 7%). Außerdem gebe es reine Ausländerklassen. In der Grundschule gingen ein Fünftel, in der Hauptschule sogar die Hälfte der Kinder in Klassen ohne deutsche MitschülerInnen.

„Die Maßnahmen der Senatsverwaltung und des LAA sind zwar gut“, bestätigt Safter Cinar. „Sie schaffen trotzdem keine Ausbildungsplätze.“ Letztendlich sei das nicht Sache der Bildungs-, sondern der Wirtschaftspolitik. Eine Lösung wäre beispielsweise, nichtdeutsche Gewerbetreibende zu animieren, Ausbildungsplätze anzubieten. „Doch darunter seien viele, die nicht ihren ,Meister‘ haben und somit nach deutschem Recht nicht ausbilden dürfen“, erklärt Cinar. Susanne Landwehr

* Der Name wurde von der Redaktion geändert