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Öko-Jet-Set?

■ betr.: "Massen- oder Ökotourismus", taz vom 3.7.93

betr.: „Massen- oder Ökotourismus“, taz vom 3.7.93

Ökotourismus in Costa Rica? Da weinen ja die Aras – und wir alle könnten es sehr deutlich wahrnehmen, sofern die armen Tierchen nicht gerade von den lachenden Hühnern übertönt würden. [...]

Hand aufs Herz: Bei der Sage vom „ökologischen“ oder „umweltverträglichen“ Tourismus handelt es sich letztlich um eine (menschlich verständliche) Lebenslüge ähnlichen Typs wie beim Mythos von der ökologischen Umgestaltbarkeit der Industriegesellschaft. Und in besonderem Maße gilt dies für die Vorstellung, Mitteleuropäer könnten „die schönsten Wochen des Jahres“ umweltverträglich in Costa Rica oder an anderen fernen Reisezielen verbringen, noch dazu in großer Zahl.

Bei summarischer Betrachtung liegt wohl gar der Gedanke nicht fern, daß angesichts des energetischen Aufwands, den die gehätschelten „weichen“ Touristen allein für die einmalige An- und Abreise zum Urlaubsort betreiben, sie sich ebensogut von scheibchenweise verschweißtem Brot und Käse und Butter und Marmelade aus Portionstöpfchen ernähren könnten; und zwar lebenslänglich, allein unter der einzigen Voraussetzung – daß sie zu Hause blieben.

Die überschlägige Rechnung führt allerdings zu einem völlig anderen Resultat, wenn ich unterstelle, die Neuweltfahrer benutzten zur Fortbewegung keine andere Kraftquelle als die ihres eigenen Muskelapparates, indem sie den Atlantik durchschwimmen. – Höre ich Hohngelächter?

Den einzig gangbaren Weg, die verbliebenen schönen Plätze dieser Welt vielleicht auf eine nur kurze Frist unangetastet, und das heißt in aller Bescheidenheit nicht mehr als „unverwüstet“, zu bewahren, verspricht schon heute allein die oft bittere Entscheidung, die Naturschönheiten wie auch die „Paradiese aus Menschenhand“ eben nicht persönlich in Augenschein zu nehmen. Leider jedoch garantiert auch eine noch so radikale individuelle Askese nicht den zeitlich unbegrenzten Erfolg des Verzichts. Man muß kein Christ sein um einzusehen, daß unsere ganze Welt jenseits von Eden besteht.

Kinder brauchen Märchen, und Menschen – auch die Erwachsenen – benötigen wohl Mythen. Tröstende. Also, einen Toast dem umweltverträglichen Tourismus! Oder doch lieber: Auf den nächsten Sommer in Hamburg-Billbrook? Haben wir es uns verdient? Rainer Hoffmann, Hamburg

Bei allem Respekt für die Anstrengungen, einen umwelt- und sozialverträglichen Tourismus in die Karibik und sonstwohin zu realisieren: Nach 20.000 Flugkilometern und dem dazu notwendigen Einblasen von zirka 1.500 Litern Kerosin (pro Fluggast!) in die zum Teil empfindlichsten Schichten unserer Atmosphäre, kann das Prädikat „Öko-Tourismus“ wohl nicht mehr ernsthaft erwogen werden.

Für einzelne Länder mag der Flugtourismus vorerst das ökonomische Überleben sichern; für Klima und Ozonschicht ist er fatal. Diese schlichte Tatsache sollte den LeserInnen eines ökologisch orientierten Blattes zugemutet werden dürfen. [...]

Flugreisen im Zeitalter von Treibshauseffekt und Ozonloch? Wenn ja, bitte nicht im Namen eines „sanften Tourismus“! Stefan Berg, Hamburg

Kurz vor dem Exitus der costaricanischen Tropenwälder sind findige Macher dazu übergegangen, die – zum größten Teil – winzigen Reste als Nationalparks weltweit touristisch zu vermarkten. Ihre Verkaufsstrategie blendet geschickt die vorausgegangenen immensen Zerstörungen aus, deren Folgen unschwer zu erkennen sind auf den langen touristischen Wegen zwischen den kleinen Naturinseln, denn Costa Rica soll als ökologisches Musterländle eine entsprechend zahlungswillige Klientel anlocken.

Der entfachte Ansturm droht nun die Restbestände des Landes „auf touristische Art“ zu zerstören: Scheue Tiere flüchten, die weniger scheuen ernähren sich aus Abfallkörben oder werfen sich fürs Erinnerungsfoto in Pose, Senkung des Grundwasserspiegels, Einleitung von Abwässern usw.

Vielmehr als ein Öko-Paradies ist Costa Rica – nach meinem Eindruck – ein Musterbeispiel für den infamen Paradigmenwechsel innerhalb touristischer Verkaufsstrategien. A. Jansen, Köln

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