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Querdenker

■ Carlo Ginzburg mit dem Aby M. Warburg-Preis ausgezeichnet

Aby M. Warburg war einer der wichtigsten Kulturgeschichtler dieses Jahrhunderts und sicher der bedeutendste Privatgelehrte, der je in Hamburg lebte. Ihm zu Ehren und in Erinnerung an jenes Jahrzehnt vor der Machtübernahme der Nazis, in dem Hamburg ein Weltzentrum der Kunstgeschichte war, wurde der Warburg-Preis gestiftet. Am Dienstag wurde der mit 20.000 Mark dotierte Hauptpreis an den Bologneser Historiker Carlo Ginzburg verliehen. Den Förderpreis von 10.000 Mark bekam die Hamburger Kunsthistorikerin Inken Knoch für ihre Magisterarbeit „Malerei als Anatomie der Seele“ über Theodore Gericault im Frankreich zwischen Revolution und Restauration.

Kultursenatorin Christina Weiss und Monika Steinhäuser-Zweite gedachten in ihren Laudationes der speziellen Leistungen Ginzburgs im Blickwinkel auf die Warburgsche Methode. Des Privatgelehrten Motto „Der liebe Gott steckt im Detail“ leitet auch Ginzburg bei seiner Spurensicherung in der Geschichte. Der Sohn einer Schrifstellerin und eines Verlegers vermag fernste und kleinste Einzelheiten des Alltags in literarischer Qualität zu einem Bild der Geschichte zu kombinieren. Er rekonstrierte aus Akten der Inquisition die Welt eines Müllers aus dem Friaul des 16. Jahrhunderts, der sich die Welt als Käse und die Engel als Würmer erklärte und darob zum Tode verurteilt wurde.

Ginzburg verfolgte auch die Wege der heidnischen Volksreligiösität, die von den Machthabern das Etikett Hexenkult bekam. Und er befaßte sich mit dem politischen Umfeld und den historischen Interessen der Auftraggeber des Frührenaissance-Malers Piero della Francesca. Alle interdisziplinären Spurensicherungen des Querdenkers sind vom Geiste der Warburg-Schule durchdrungen. Ginzburg ging in seiner englisch gehaltenen Rede auf seine Studienzeit am Londoner Warburg-Institute ein und bezeichnete die 1933 von Hamburg nach England überführte Bibliothek in ihrer speziellen Systematik als eine höchst spezielle Denkmaschine. Am interessantesten war sein Vortrag über „Idols and Likenesses“, eine Abhandlung über den Referenzcharakter von Bildern — vom biblischen Bilderverbot über die Uminterpretation dieses Verbots durch den Kirchenvater Origines bis zu den Schmähschriften des Bernhard von Clairvaux gegen die romanischen Monsterdarstellungen und schließlich zur berühmten Pfeife des Rene Magritte, die eben keine solche, sondern nur ein Bild ist.

Hajo Schiff

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